Rz. 69

Abs. 1 Satz 2 und 3 regelt die Rechtsfolgen bei weiteren Pflichtverletzungen nach § 31. Insoweit hatten schon die Übergangsregelungen des BVerfG im Urteil v. 5.11.2019 für Sachverhalte nach § 31 Abs. 1 Gesetzeskraft. Eine weitere Pflichtverletzung in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn auf eine Pflichtverletzung nach § 31 eine weitere wegen eines Meldeversäumnisses nach § 32 festzustellen ist oder umgekehrt. Es handelt sich sodann lediglich um eine erneute Pflichtverletzung, weil ihr bereits eine Pflichtverletzung vorausgegangen ist. In diesen Fällen richtet sich die Rechtsfolge nach der jeweiligen Bestimmung in § 31a Abs. 1 Satz 1 bzw. § 32 Abs. 1 Satz 1. Weitere Pflichtverletzungen können daher nur gleichartige Pflichtverstöße sein. Die Pflichtverletzungen nach § 31 sind gleichartig. Das trifft auch auf 2 Pflichtverletzungen zu, von denen eine § 31 Abs. 1 und die andere § 31 Abs. 2 zuzuordnen ist. Nach einer Leistungsminderung aufgrund des § 31 Abs. 2 stellt ein Pflichtverstoß nach § 31 Abs. 1 wegen der Zählwirkung der Leistungsminderung nach § 31 Abs. 2 also eine weitere Pflichtverletzung dar. Gleichartige Pflichtverletzungen sind zwar dem Grunde nach auch solche nach § 32 und nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 bei Sperrzeit wegen Meldeversäumnis (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 SGB III). Dies spielt allerdings seit dem 1.4.2011 keine Rolle mehr, weil schon seither in § 32 für den Fall einer weiteren Pflichtverletzung keine verschärfte Leistungsminderung vorgesehen ist. Deshalb wird auch im umgekehrten Fall keine verschärfte Rechtsfolge festgestellt werden dürfen, wenn auf eine Pflichtverletzung wegen Meldeversäumnis eine nach § 31 folgt. Nach Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen war nach früherem Recht eine Minderung des früheren Alg II durch 2 Minderungsbescheide mit einer Minderung um jeweils 30 % der Leistungen für den Regelbedarf im Gesetz nicht vorgesehen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 13.6.2013, L 7 AS 332/13 B ER). Dabei ist es nach der Neuregelung der Minderungsvorschriften ab 1.1.2023 geblieben, wenn auch nicht wegen der grundsätzlichen Minderung um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs, sondern aufgrund der Begrenzung der Leistungsminderung nach Abs. 4 Satz 1 auf zusammengerechnet höchstens 30 % des maßgebenden Regelbedarfs.

 

Rz. 70

Eine Leistungsminderung aufgrund einer weiteren Pflichtverletzung setzt voraus, dass dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten gegenüber bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde (so auch schon früher Abs. 1 Satz 4). Damit ist es dem Jobcenter im Regelfall nicht möglich, dem Leistungsberechtigten innerhalb eines kurzen Zeitraumes mehrere Arbeitsangebote mit Rechtsfolgenbelehrung erfolgreich zu unterbreiten (vgl. dazu im Sperrzeitenrecht BSG, Urteil v. 3.5.2018, B 11 AL 2/17 R). Der Minderungsbescheid muss wirksam geworden sein, aber nicht bestandskräftig (vgl. SG Aachen, Urteil v. 21.6.2013, S 11 AS 1041/12). Hierfür genügt es zunächst nicht, dass sich der Leistungsberechtigte bereits zuvor einmal sozialwidrig verhalten hat. Gefordert wird zumindest eine Pflichtverletzung, wie sie in § 31 normiert ist. Andere Pflichtverletzungen, von welcher Qualität sie auch immer sein mögen, sind für den Tatbestand einer weiteren Pflichtverletzung nicht relevant. Insbesondere muss das sozialwidrige Verhalten allein nach § 31 vorliegen, die Qualität nach § 34 ist ebenfalls nicht maßgebend. Die Neuregelung ab 1.4.2011 ging u. a. auf die Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen zurück, das einen Minderungsbescheid als Voraussetzung für das Vorliegen einer wiederholten Pflichtverletzung erklärt hatte (Beschluss v. 22.6.2009, L 7 AS 266/09 B). Hinter der vorherigen Feststellung der Minderung steht, dass die erste Leistungsminderung rechtmäßig gewesen sein muss (so auch SG Bremen, Beschluss v. 23.4.2009, S 26 AS 686/09 ER). Dies darf gerichtlich überprüft werden, wenn geltend gemacht wird, dass die erste Leistungsminderung rechtswidrig war (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 22.6.2009, L 7 AS 266/09 B ER). Eine weitere Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn dasselbe Arbeitsangebot mehrmals abgelehnt wird. Im Falle eines fehlerhaft festgestellten Umfangs einer Leistungsminderung ist nicht der gesamte Minderungsbescheid rechtswidrig, lediglich der Umfang der Leistungsminderung ist auf das gerechtfertigte Maß zu reduzieren (SG München, Beschluss v. 31.5.2017, S 40 AS 1142/17 ER).

 

Rz. 71

Voraussetzung für die Rechtsfolge des Abs. 1 Satz 2 ist ferner, dass es sich bei der vorherigen Pflichtverletzung um eine i. S. von Zurechenbarkeit vorwerfbare Pflichtverletzung gehandelt hat. Eine solche liegt nicht schon dann vor, wenn z. B. eine Arbeit aufgegeben oder abgelehnt wurde oder eine Eingliederungsmaßnahme abgebrochen wurde. Vielmehr ist es unabdingbar, dass es sich um eine Pflichtverletzung handelt, die einen Minderungssachverhalt dargestellt hat. Das bedeutet, dass sowohl – soweit in § 31 vorgesehen – die Rechtsfolgenbelehrung in gesetzlich geforderter Qualität erteilt worden sein...

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