Rz. 3

Der Grundsatz des Forderns wird durch § 2 in ein System von Verpflichtungen eingekleidet, das die vorrangige, eigeninitiative Beendigung der Erwerbslosigkeit herausstellt. Im Kern spiegelt dies das Konzept des aktivierenden Sozialstaates. Zentrale Forderung des Leistungssystems ist die Nutzung aller Möglichkeiten, insbesondere durch Einsatz der Arbeitskraft, zur Bestreitung des Lebensunterhaltes der gesamten Bedarfsgemeinschaft. Das Spektrum reichte vor dem Bürgergeld von der systematischen Eingliederungsarbeit unter Nutzung des Instrumentes der Eingliederungsvereinbarung bzw. des Kooperationsplanes bis zur Wahrnehmung von Arbeitsgelegenheiten. Dem stehen keine zwingenden Ansprüche auf individuell hilfreiche Leistungen zur Eingliederung in Arbeit als Rechtsansprüche gegenüber. Das hat sich im Kern durch das Bürgergeld nicht verändert. Der Gesetzgeber fokussiert jedoch erheblich stärker darauf, die Bemühungen der Jobcenter auf eine nachhaltige Eingliederung in Erwerbstätigkeit auszurichten. Es kommt nicht mehr zuerst darauf an, Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen und damit staatliche Leistungen abzusenken. Gleichwohl werden Selbsthilfe und Eigenverantwortung verankert.

 

Rz. 4

Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten wie die nicht erwerbsfähigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Bürgergeld nach § 19 Abs. 1. Das Bürgergeld ist eine staatliche Fürsorgeleistung. Das Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1 ist daher als aktivierende Grundsicherung für erwerbsfähige Personen zu verstehen, die sich nicht aus eigenen Mitteln und Kräften helfen können. Selbsthilfe meint seit der Einführung des Bürgergeldes, durch Entwicklung der eigenen Potenziale eine Erwerbstätigkeit zu erreichen, die Hilfebedürftigkeit auf Dauer entfallen lässt. Nicht ganz konsequent passt dazu in der Gesetzesbegründung zu § 3 der Hinweis, dass Dauerhaftigkeit in diesem Zusammenhang auch bedeutet, mit einer 6 Monate und länger andauernden Erwerbstätigkeit den Hilfebedarf der gesamten Bedarfsgemeinschaft im Rahmen ihrer Möglichkeiten vermindern oder beenden zu können.

Bei dem verwandten Personenkreis der Arbeitslosen nach dem SGB III belässt es der Gesetzgeber bei der Beschäftigungssuche (mit eigenen Bemühungen), die Arbeitslosenversicherung arbeitet weiterhin mit dem Instrument der Eingliederungsvereinbarung.

 

Rz. 5

§ 2 ist nicht nur Programmsatz, sondern Grundlage für den Systemteil des Forderns. Im SGB II ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gegenüber der früheren Sozialhilfe schon vor dem Bürgergeld finanziell attraktiver ausgestaltet worden. Es wurde ein zeitlich befristeter Zuschuss eingeführt (Einstiegsgeld, vgl. § 16b). Die Aufnahme einer tragfähigen selbständigen Tätigkeit kann auch durch Zuschüsse und Darlehen für Sachgüter unterstützt werden (vgl. § 16c). Mit den Leistungen zur Förderung von Arbeitsverhältnissen können auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt chancenlose erwerbsfähige Leistungsberechtigte in eine Beschäftigung einmünden (vgl. § 16e). Eine Förderung in den sozialen Arbeitsmarkt wurde bei den Eingliederungsinstrumenten integriert, die Befristung ist mit der Einführung des Bürgergeldes aufgehoben worden (§ 16i). Als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit stehen zahlreiche weitere Förderleistungen aus dem arbeitsmarktpolitischen Instrumentarium des SGB III zur Verfügung. Fördermöglichkeiten bestehen ggf. auch außerhalb des Systems der Grundsicherung (z. B. über die Programme der Bundesregierung, Initiativen der Bundesagentur für Arbeit, Länderprogramme oder Programme, die aus dem Europäischen Sozialfonds finanziert werden, aktuell insbesondere zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit). Auch gelten Freibeträge aus Erwerbseinkommen als Anreiz zur Fortführung der Arbeit (§ 11b Abs. 3). Durch das Bürgergeld-Gesetz werden in 2023 Verbesserungen wirksam. Diesem Anreizsystem wird ein System von Leistungsminderungen und Ersatzansprüchen gegenübergestellt, das bei sozialwidrigem Verhalten des Erwerbsfähigen und seiner Bedarfsgemeinschaft eingesetzt wird (§§ 31 bis 32, 34 ff.). Bei Ablehnung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit oder Eingliederungsmaßnahme sowie bei fehlender Eigeninitiative oder sonst sozialwidrigem Verhalten wird die Leistung nach Ablauf des Sanktionsmoratoriums nach § 84 mit Ablauf des 31.12.2022 zunächst vorübergehend abgesenkt, jedoch nach neuer gesetzlicher Regelung im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG auch in Wiederholungsfällen niemals über 30 % des maßgebenden Regelbedarfs hinaus, auch bei Kumulation von Pflichtverletzungen nicht. Ggf. tritt eine Ersatzpflicht ein, z. B. bei absichtlich herbeigeführter Hilfebedürftigkeit zur Erlangung der Leistungsberechtigung. Die Grundsätze für fehlende Eigenbemühungen aus dem SGB III können nicht auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende übertragen werden.

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