Rz. 3

Abs. 1 Satz 1 bestimmt eine Ersatzpflicht kraft Gesetzes, die allerdings mit Bescheid geltend gemacht werden muss. Eine Ersatzpflicht besteht nur für Volljährige. Dafür kommt es auf den Zeitpunkt der Tat an, also den Zeitpunkt der Herbeiführung der Voraussetzungen für den Eintritt von Hilfebedürftigkeit bzw. die Leistungszahlung. Die Regelung folgt nicht der sonst im SGB II maßgeblichen Altersgrenze von 25 Jahren, sie stellt auf den Schutz Minderjähriger während ihrer nicht unbeschränkten Geschäftsfähigkeit ab. Hinsichtlich des Zusammenlebens in einer Bedarfsgemeinschaft ist der Zeitpunkt der Herbeiführung der Voraussetzungen für die Hilfebedürftigkeit (Abs. 1 Satz 1) bzw. der Zeitpunkt der Leistungszahlung (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) maßgebend. Eine Aufgabe der Bedarfsgemeinschaft zu einem späteren Zeitpunkt lässt die Ersatzpflicht unangetastet. Außenstehende dritte Personen, die z. B. durch fehlerhafte Angaben oder Bescheinigungen eine Leistungszahlung an Personen ausgelöst haben, die nicht zu ihrer Bedarfsgemeinschaft gehören, etwa Arbeitgeber, werden von der Vorschrift nicht erfasst.

 

Rz. 3a

Zentraler Begriff der Vorschrift ist das sozialwidrige Verhalten des Ersatzpflichtigen. Dieses darf das Jobcenter isoliert feststellen, auch wenn eine solche Möglichkeit im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist (BSG, Urteil v. 29.8.2019, B 14 AS 50/18 R). Möglich ist danach eine Trennung von Grundlagen- und Leistungsbescheiden. Entscheidender Vorteil ist demnach neben einer Warnfunktion der Umstand, dass dasselbe Verhalten von unterschiedlichen Spruchkörpern aufgrund verschiedener Leistungsbescheide nicht unterschiedlich bewertet wird. Das Jobcenter darf allerdings nicht vorab Ersatzpflichten dem Grunde nach zu gründen.

 

Rz. 4

Eine Ersatzpflicht kommt nur in Betracht, soweit aufgrund der Handlungen die Voraussetzungen dafür tatsächlich geschaffen worden sind, dass Leistungen gezahlt wurden. Der Nichtantritt einer Arbeitsstelle stellt z. B. nicht ohne weiteres ein sozialwidriges Verhalten i. S. d. § 34 dar (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 24.3.2021, L 13 AS 161/20).

Es bedarf eines kausalen Zusammenhangs zwischen Handlung bzw. Unterlassung und Zahlung. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn Hilfebedürftigkeit herbeigeführt wird, so dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erforderlich werden (mögliche Ersatzpflicht schon zu Beginn des Leistungsfalles), andererseits kann auch Hilfebedürftigkeit in größerem Umfang oder von längerer Dauer herbeigeführt werden (mögliche Ersatzpflicht aufgrund höherer oder weiterer Leistungen durch Aufrechterhalten oder Erweiterung von Hilfebedürftigkeit, Abs. 1 Satz 2). Liegen mehrere Ursachen vor, ist Kausalität zu bejahen, wenn das sozialwidrige Verhalten wesentliche Ursache i. S. einer überwiegenden Ursache war.

RZ 4a

Der Ersatzanspruch erfordert eine wesentliche Mitverursachung durch den Ersatzpflichtigen. Dies setzt u. a. voraus, dass das Verhalten des Ersatzpflichtigen nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge dazu geeignet war, die Leistungserbringung herbeizuführen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 8.7.2020, L13 AS 18/20). Ein solches Verhalten liegt nicht vor, wenn ganz offensichtlich ein Anspruch auf die Versicherungsleistung Alg bestand (§ 12a Satz 1), aber vom Jobcenter nicht zu einer entsprechenden Antragstellung angehalten wurde.

Gemessen an den Voraussetzungen fehlt es jedenfalls an einer Sozialwidrigkeit, wenn dem Betroffenen nicht einmal unmittelbar vor Augen stehen musste, dass der Konsum von Betäubungsmitteln zur Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II führen würde. Es bestanden im Einzelfall auch keine Anhaltspunkte, dass er es auf die Entdeckung seiner Fahrt unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln angelegt hat. Das Gericht ging vielmehr davon aus, dass der Betroffene gerade damit rechnete, nicht "erwischt" zu werden (SG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 30.9.2020, S 49 AS 3784/18). So habe das BSG auch in strafbaren Handlungen wie z. B. dem vorsätzlichen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 16.4.2013, B 14 AS 55/12 R) oder räuberischem Diebstahl in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter Vergewaltigung (unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 2.11.2012, B 4 AS 39/12 R) kein sozialwidriges Verhalten gesehen, auch wenn das Verhalten in hohem Maße verwerflich ist und von der Rechtsordnung offensichtlich missbilligt wird. Erfasst wird nur ein Verhalten mit spezifischem Bezug, das heißt in "innerem Zusammenhang", zur Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit und Leistungserbringung steht.

RZ 4b

Wurde Hilfebedürftigkeit lediglich durch ein bestimmtes Verhalten aufrechterhalten, liegen die Voraussetzungen für eine Ersatzpflicht nach Abs. 1 seit dem 1.8.2016 ebenfalls vor. Das trifft z. B. auf die Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsangebotes ohne wichtigen Grund zu. Bei der Ersatzpflicht aufgrund erhöhter, aufrechterhaltener oder nicht verringerter Hilfebedürftigkeit als ausdrückliche gesetzliche...

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