Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. Zulassung der Berufung im Gerichtsbescheid. Arbeitslosengeld II. Einkommensberücksichtigung. Zuflussprinzip. Einkommen in unterschiedlicher Höhe. Übernahme der Warmwasseraufbereitungskosten in tatsächlicher Höhe. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Entscheidet ein Kammervorsitzender mittels Gerichtsbescheid und lässt die Berufung zugleich wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 144 Abs 2 S 1 SGG zu, so verkennt er die Voraussetzungen der Kompetenzregelung des § 105 Abs 1 S 1 SGG iVm § 12 Abs 1 S 2 Alt 2 SGG, ohne die Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter entscheiden zu dürfen, weil die Rechtssache dann zugleich "besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art" aufweist.

2. Laufendes Einkommen ist stets im Kalendermonat des Zuflusses anzurechnen, und zwar auch dann, wenn es in unterschiedlicher Höhe zufließt, aber den monatlichen Hilfebedarf der Bedarfsgemeinschaft nicht deckt. Eine Umrechnung in Tagessätze gemäß § 2 Abs 2 S 2 Alt 2 iVm Abs 3 S 2 AlgIIV (aF), um das wechselnde Einkommen auch in den Folgemonaten berücksichtigen zu können, ist dann nicht geboten.

3. In der Regelleistung des SGB 2 wurden keine Haushaltsenergiekosten zur Warmwasserbereitung (außer den bei Kochfeuerung, Waschmaschine und Geschirrspüler entstehenden Energiekosten zur Wassererwärmung) berücksichtigt, so dass in verfassungskonformer Auslegung der § 20 Abs 1, § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 diese Warmwasserbereitungskosten zusammen mit den Heizkosten zusätzlich zur Regelleistung in tatsächlicher Höhe übernommen werden müssen, soweit sie angemessen sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.02.2008; Aktenzeichen B 14/11b AS 15/07 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 21. August 2006 wird zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlussberufung der Kläger wird die Beklagte unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Chemnitz vom 21. August 2006 und des Bescheides vom 11. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2005 verurteilt, den Klägern jeweils Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2005 unter Ansatz des in diesen Monaten tatsächlich zugeflossenen Einkommens und ohne Abzug einer Pauschale für die Kosten der Warmwasserbereitung zu zahlen.

III. Die Beklagte hat den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2005.

Die 1961 geborenen, miteinander verheirateten Kläger bewohnen gemeinsam eine Zwei-Raum-Wohnung zuzüglich Küche und Bad mit einer Wohnfläche von 55,90 m², für die im streitigen Zeitraum eine Bruttokaltmiete von 200,00 EUR monatlich zuzüglich einer Heizkostenvorauszahlung von 40,00 EUR monatlich anfiel. Die Heizanlage des Mietwohnhauses wird mit Öl betrieben und damit zugleich das Warmwasser bereitet.

Die Klägerin zu 1 hatte bis 2. April 1999 Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuchs - Arbeitsförderung - (SGB III) bezogen und danach bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe. Ab 1. Januar 2005 hatte sie kein Einkommen mehr. Der Kläger zu 2 erzielte in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2005 ein wechselndes Einkommen aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, das jeweils am 10. des Folgemonats gezahlt wurde. Zu dessen Höhe wird auf die Blätter 44/45 des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen. Auf ihn war ein kreditfinanzierter Honda Civic (Baujahr 1996) zugelassen, für den im streitigen Zeitraum eine Kfz-Haftpflichtversicherung mit einem Monatsbeitrag von 22,09 EUR bestand. Dieses Fahrzeug nutzte er für den täglichen Arbeitsweg von 30 km (einfache Strecke) regelmäßig an 5 Arbeitstagen pro Woche. Weiteres Vermögen war im streitigen Zeitraum außer einem Girokonto mit negativem Saldo und zwei Sparbüchern mit Guthaben von 300,00 EUR beziehungsweise 7,26 EUR nicht vorhanden.

Die Beklagte bewilligte den Klägern auf deren Antrag vom 26. Oktober 2004 mit Bescheid vom 11. November 2004 für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2005 Arbeitslosengeld II in Höhe von jeweils 4,70 EUR (insgesamt 9,40 EUR) monatlich, ausgehend vom Einkommen des Klägers zu 2 aus September 2004 sowie unter Abzug einer Warmwasserpauschale von 11,76 EUR von den gewährten Heizkosten. Den dagegen am 29. Dezember 2004 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2005 unter Bestätigung des Ausgangsbescheides zurück.

Dagegen haben die Kläger am 19. Oktober 2005 Klage erhoben, der das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 21. August 2006 teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt hat, an die Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2005 weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1,02 EUR zu zahlen. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Ber...

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