Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. Übergangsrecht. ehemalige DDR. DDR-Recht. Sonderentscheidverfahren. nicht gelistete Berufskrankheit. haftungsausfüllende Kausalität. koronare Herzkrankheit. Tabakverkoster

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Verfahren für eine Anerkennung einer nicht "gelisteten" Berufskrankheit im "Sonderentscheidverfahren" sah in § 6 Abs 2 BKVO-DDR (juris: BKVMBV § 6) die Anerkennung auf Vorschlag der Obergutachterkommission für Berufskrankheiten beim Zentralinstitut für Arbeitsmedizin vor. Die schriftlich begründeten Vorschläge der Obergutachtenkommission Berufskrankheiten zur Anerkennung von Berufskrankheiten im Sonderentscheidverfahren (BKSE) gemäß § 2 BKVO/DDR (juris: BKVMBV § 2) waren vom Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB), Abt Sozialversicherung, zu bestätigen und damit rechtskräftig. Bei Einsprüchen im BK-Verfahren waren Bezirksbeschwerdekommissionen für Sozialversicherung des FDGB letzte Instanz.

2. Der Obergutachtenkommission Berufskrankheiten waren hinsichtlich der an die haftungsausfüllende Kausalität zu stellenden Anforderungen keine rechtlichen Vorgaben gemacht. Die Obergutachtenkommission entwickelte vielmehr selbst Kriterien und Hinweise für die Anerkennung von Berufskrankheiten. Letztlich konnte die Obergutachtenkommission auf der Basis der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und unter Beachtung der von ihr selbst aufgrund von Erfahrungen und wissenschaftlichen Untersuchungen entwickelten Kriterien eine Einzelfallentscheidung treffen.

3. Das Berufskrankheitsrecht kannte expressis verbis keine Unterscheidung zwischen dem Versicherungsprinzip und dem Antragsprinzip, sondern war im Grunde in beide Richtungen auslegbar. In aller Regel galt aber das Versicherungsprinzip. Es mussten also zum Zeitpunkt der Erkrankung - ggf auch rückblickend - nachweislich ausreichende Kenntnisse zur Kausalität vorhanden sein, und dies natürlich sowohl für Listen-Berufskrankheiten als auch solche, die als BKSE zu behandeln waren. Die Informationen, welche den ursächlichen Zusammenhang zwischen angeschuldigtem Schadfaktor und versicherungspflichtiger Arbeitstätigkeit mit Wahrscheinlichkeit nahe legen sollten, waren Forschungsberichten, aktuellen Einzelpublikationen, Standardwerken der Fachliteratur und eigenen Erfahrungen zu entnehmen und entsprechend dem jeweiligen Schwierigkeitsgrad der Fragestellung vom Gutachter durch die Fundstellen zu belegen.

4. Eine exakte Definition, wann eine wesentliche Verursachung vorlag, existierte im DDR-Recht nicht. Nach § 2 BKVO/DDR (juris: BKVMBV § 2) mussten die als BK Sonderentscheid anzuerkennenden Krankheiten durch arbeitsbedingte Einflüsse entstanden sein. Nach der einschlägigen DDR-Literatur wurden "Erkrankungen, für deren Entstehen mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit berufsbedingte Faktoren als wesentlich mitwirkende Ursachen verantwortlich zu machen" waren als BK Sonderentscheid anerkannt.

5. Zum Kausalzusammenhang zwischen beruflich verursachtem Rauch und koronarer Herzkrankheit mit zwei Herzinfarkten bei Vorliegen einer anlagebedingten Fettstoffwechselstörung.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 01.11.2001 und der Bescheid der Beklagten vom 22.01.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.1998 aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 26.03.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.1994 zurückzunehmen, festzustellen, dass die beim Kläger vorliegende koronare Herzerkrankung mit den Herzinfarkten im Juli 1987 und Dezember 1989 eine Berufskrankheit Sonderentscheid nach dem Recht der ehemaligen DDR darstellt und dem Kläger deswegen vom 01.01.1993 bis zum 20.06.1994 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H., vom 21.06.1994 bis zum 08.04.1999 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v.H., vom 09.04.1999 bis zum 10.07.2000 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v.H. und vom 11.07.2000 bis zum 10.07.2001 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v.H. zu gewähren ist.

III. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beim Kläger vorliegende koronare Herzkrankheit als Berufskrankheit (BK) anzuerkennen und ihm deswegen eine Verletztenrente zu gewähren ist.

Der 1924 geborene Kläger, dessen Vater im Alter von 46 Jahren an einem Herzinfarkt und dessen Mutter 74-jährig an einem Schlaganfall verstarben, war vom 01.06.1952 bis 31.12.1955 als Praktikant und Hilfsexperte, vom 01.01.1956 bis 30.09.1967 als Tabakexperte, vom 01.10.1967 bis 31.12.1969 als Produktionsleiter und vom 01.01.1970 bis zum 30.06.1989 als Abteilungsleiter Tabakexperten im VEB T. D. tätig. Zu seinen beruflichen Aufgaben zählte die Qualitätsprüfung von Rohstoffen und Tabakerzeugnissen. Dazu mussten sowohl Schnitttabake als auch Zigaretten ...

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