Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes setzt besonders schwerwiegende Fehler voraus, die bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sind.[1] Solche gravierenden Mängel können Verfahrensfehler sachlicher oder inhaltlicher Art sein, mithin schwerwiegende Verstöße gegen formelle oder materielle Rechtsvorschriften. Als besonders schwerwiegende Fehler werden u. a.

  • Verfahrensfehler,
  • Verstoß gegen die Rechtsordnung und
  • widersprüchlicher, unsinniger oder unbestimmter Inhalt

angesehen.

Die Schwere und Offenkundigkeit der Verletzung der rechtsstaatlichen Ordnung und Nichteinhaltung der Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Handeln der Verwaltung muss sich im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen nach § 40 Abs. 1 SGB X aufdrängen.

Die Offensichtlichkeit der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes ist nicht von der subjektiven Erkenntnis des Fehlers beim Empfänger abhängig, sondern von der Erkennbarkeit des Fehlers für den "Durchschnittsbürger" (sog. Parallelwertung in der Laiensphäre). Dieser muss ohne besondere Sachkenntnis oder zusätzliche Aufklärungs- oder Beweismittel anhand der Zusammenhänge erkennen können, dass die getroffene Entscheidung nicht rechtmäßig sein kann.

 
Praxis-Beispiel

Offensichtlichkeit des Fehlers

Ein offensichtlich schwerwiegender Fehler in der Zuständigkeit läge beispielsweise vor, wenn ein Finanzamt als Baubehörde tätig würde und eine Baugenehmigung erteilte.

Die Schwere und Offenkundigkeit eines Fehlers kann auch aus der Wertung des § 40 Abs. 2 und 3 SGB X geschlossen werden.

 
Achtung

Subsidiarität der Generalklausel des § 40 Abs. 1 SGB X

Die Prüfung, ob ein Verwaltungsakt nichtig ist, erfolgt immer erst nach Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 40 Abs. 2 und 3 SGB X.

Unabhängig davon, ob ein Fehler offensichtlich ist, gibt es zwingende (absolute) Nichtigkeitsgründe, deren Vorliegen zuerst zu prüfen ist.[2]

Im Einzelnen ist ein Verwaltungsakt zwingend unwirksam,

  • der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt[3],
  • der nach einer Rechtsvorschrift nur durch Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt[4],
  • den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann (objektive Unmöglichkeit oder rechtliche Unmöglichkeit)[5],
  • der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht[6],
  • der gegen die guten Sitten verstößt[7].
 
Praxis-Beispiel

Nichtvorliegen von Nichtigkeitsgründen

Ein Mitarbeiter einer Behörde erlässt vorsätzlich einen Bescheid (Bewilligung von Elterngeld) für nicht existierende Kinder eines Dritten und veranlasst die Auszahlung auf das Konto eines Dritten, dem der Mitarbeiter einen anderen Sachverhalt erzählt hatte.

Der Nichtigkeitsgrund gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB X liegt nicht vor, weil in dem fehlerhaften Bescheid keine rechtswidrige Tat verlangt wird, sondern nur eine rechtswidrige Leistung gewährt wird.

Auch folgt keine Nichtigkeit aus § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB X, weil der Bescheid zwar inhaltlich fehlerhaft ist, die Bewilligung von Elterngeld aus seinem Regelungsgehalt grundsätzlich jedoch nicht das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzt.

Schließlich liegt trotz der Straftat des Mitarbeiters kein Nichtigkeitsgrund gemäß § 40 Abs. 1 SGB X vor. Der Bescheid ist zwar inhaltlich unrichtig, weil Elterngeld für nicht existierende Kinder gewährt wurde. Allerdings ist der darin enthaltene schwerwiegende Fehler nicht offensichtlich, weil er nicht jedem ohne Weiteres erkennbar ist. Es bedarf vielmehr der Kenntnis des persönlichen Verhältnisses des Empfängers/Dritten.[8]

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