Rz. 109

Die Entgeltfortzahlung endet, wenn der Arbeitnehmer objektiv nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt ist. Es kommt – wie auch bei der Begründung des Entgeltfortzahlungsanspruchs – nicht auf das Ende der Krankheit, sondern das Ende der Arbeitsunfähigkeit an. Dies ist im Ansatz unproblematisch. Im Regelfall endet die Entgeltfortzahlung mit dem in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angegebenen Tag.

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitnehmer A hat eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht, in der der behandelnde Arzt eine Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich Freitag, den 31.8., attestiert hat. Ab dem 1.9. besteht wieder Arbeitspflicht, unabhängig davon, ob der Arzt von einem arbeitsfreien Wochenende ausgegangen ist.[1]

 

Rz. 110

Will der Arbeitnehmer jedoch vor dem Ablauf einer attestierten Arbeitsunfähigkeit die Arbeit wieder aufnehmen, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber ihn dann wieder beschäftigen bzw. der Arbeitnehmer arbeiten darf. Hat er sich von dem behandelnden Arzt die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit bescheinigen lassen (Gesundschreibung), ist eine Beschäftigung unzweifelhaft zulässig und notwendig. Fehlt es an einer solchen Bescheinigung, ist gleichwohl eine Beschäftigung angebracht. Denn nicht der im Attest angegebene Krankheitszeitraum ist maßgeblich, sondern ob objektiv eine zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung vorliegt. Beide Arbeitsvertragsparteien haben im Regelfall auch keine Nachteile zu befürchten. Erleidet der Arbeitnehmer, möglicherweise aufgrund der zu frühen Arbeitsaufnahme, einen Rückfall, wird ihm kaum der Vorwurf eines gröblichen Verschuldens i. S. d. § 3 EFZG gemacht werden. Umgekehrt wird in einem solchen Fall auch den Arbeitgeber kein Schadensersatzanspruch aus einer Fürsorgepflicht treffen, wenn ihm der Arbeitnehmer die Genesung glaubhaft versichert hat und ihn daher kein Verschulden trifft.[2]

Möglicherweise hat der Arbeitgeber aber berechtigte Zweifel an der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers; solche Konstellationen treten in der Praxis auf, wenn der Arbeitnehmer über einen sehr langen Zeitraum erkrankt war, keinen Anspruch mehr auf Krankengeld hat und aus finanziellen Gründen die Arbeit (vorübergehend) wieder aufnehmen will. Unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht kann der Arbeitgeber daher bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen vom Arbeitnehmer ein ärztliches Zeugnis über die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit verlangen.[3] Da nur die objektive Arbeitsfähigkeit für den Anspruch auf Arbeit und Lohn ausschlaggebend ist, trägt der Arbeitgeber bei Ablehnung des Arbeitskraftangebots in solchen Fällen das Lohnrisiko. Trägt der Arbeitgeber in einem späteren Rechtsstreit über Ansprüche des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugslohn Indizien vor, die gegen eine Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers sprechen, ist es Sache des Arbeitnehmers, diese Indizwirkung zu erschüttern. Trägt der Arbeitnehmer nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert zu den Ausführungen des Arbeitgebers ein, gilt die Behauptung des Arbeitgebers einer fehlenden Leistungsfähigkeit als zugestanden.[4]

 

Rz. 111

Darüber hinaus endet die Entgeltfortzahlung mit Ablauf des 6-Wochen-Zeitraums. Für die Berechnung gilt grundsätzlich § 188 Abs. 2 BGB.

 

Rz. 112

Schließlich kann der Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch durch das Ende des Arbeitsverhältnisses beendet werden. Ausnahmsweise besteht der Anspruch nur dann über den Zeitpunkt der Beendigung hinaus, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit gekündigt hat oder wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund kündigt, der den Arbeitnehmer zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist berechtigt.[5]

[2] Schmitt/Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 3 EFZG, Rz. 241 ff.
[3] LAG Berlin, Urteil v. 10.5.2001, 10 Sa 2695/00, LAGE § 626 Nr. 135; vgl. auch LAG Düsseldorf, Urteil v. 17.7.2003, 11 Sa 183/03, DB 2003, 2603,

HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG, Rz. 82.

[5] Zu Einzelheiten vgl. Zimmermann, § 8 EFZG, Rz. 1 ff.

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