Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Finanzierung der Pflegeeinrichtungen. Um-/Anbau (hier: Stockwerkerweiterung mit neuen Pflegeplätzen). gesonderte Inrechnungstellung von betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen nach § 82 Abs 3 oder 4 SGB 11. Streit um Zustimmungs- oder Mitteilungserfordernis der zuständigen Landesbehörde

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es besteht ein Rechtsschutzbedürfnis des Betreibers eines Pflegeheims für die Feststellung, ob die Umlage von betriebsnotwendigen Investitionskosten eine Zustimmung nach § 82 Abs 3 SGB XI erfordert, oder ob dies nach § 82 Abs 4 SGB XI lediglich mitzuteilen ist.

2. Auch wenn eine Pflegeeinrichtung durch einen Um- und Anbau wesentlich vergrößert wird (hier: weiteres Stockwerk mit 21 neuen Pflegeplätzen), bleibt es eine Pflegeeinrichtung, wenn keine Aufspaltung in rechtlich selbstständige Einheiten erfolgt.

3. Die Einholung einer Zustimmung gemäß § 82 Abs 3 SGB XI ist notwendig, wenn die Pflegeeinrichtung ganz oder teilweise mit Landesmitteln gefördert wurde. Dabei kommt es nicht darauf an, ob für die Einzelinvestition des Umbaus Fördermittel gewährt wurden. Unerheblich ist auch, ob der Umbau zum Zeitpunkt der früheren Bewilligung von Fördermitteln bereits geplant war.

4. Die Aufspaltung des Zustimmungs- und Mitteilungserfordernisses für verschiedene Bereiche oder Einrichtungsteile einer Pflegeeinrichtung ist unzulässig. Daher dürfen die Investitionskosten für den nicht mit Landesmitteln geförderten Umbau auf alle Heimplätze umgelegt werden ("Mischkalkulation").

5. Betriebsnotwendig sind Investitionen in die Pflegeinfrastruktur, die nach den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung als sachlich erforderlich und nach der Höhe als angemessen anzusehen sind. Dazu kann auch die Erweiterung einer Pflegeeinrichtung gehören, wenn eine entsprechende Nachfrage auf dem Markt besteht. Die Bedarfsplanung eines Landes ist bei der Prüfung der Betriebsnotwendigkeit nicht relevant.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.06.2020; Aktenzeichen B 3 P 22/19 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Klageverfahrens trägt der Kläger zu 77,22 %, der Beklagte zu 22,78 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte in vollem Umfang.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 64.533,16 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Zustimmung zur gesonderten Inrechnungstellung von betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen gemäß § 82 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2013 i.H.v. 8,77 EUR/Pflegetag (PT)/Pflegeplatz für 61 statt für 40 Pflegeplätze.

Der Kläger betreibt als eingetragener Verein seit dem 14. August 2000 das Altenpflegeheim SCA-Seniorenheim " ..." in B ... Die Einrichtung war mit Versorgungsvertrag vom 28. Juli 2000 nach § 72 SGB XI mit zunächst 40 Pflegeplätzen zur Versorgung zugelassen worden.

Für diese 40 Plätze hatte der Kläger vom Land Sachsen-Anhalt eine öffentliche Förderung gemäß Art. 52 Pflegeversicherungsgesetz (PflegeVG) in Form eines Zuschusses i.H.v. insgesamt bis zu 5.584.399 DM erhalten (Zuwendungsbescheid vom 23. Dezember 1998). Der Bescheid enthielt Nebenbestimmungen. Unter 3.7 war u.a. genannt: "Für die Zuwendung besteht eine Zweckbindung von 30 Jahren nach Fertigstellung". Unter 3.11 war genannt: "Sie sind verpflichtet, mich unverzüglich schriftlich zu unterrichten bei: a) Änderung der Zweckbestimmung oder der Zielsetzung Ihrer Einrichtung, b) wesentlichen Abweichungen im Bauablauf und in den Gesamtkosten der Investitionsmaßnahme. Entscheidungen zu diesen Angelegenheiten bedürfen meiner schriftlichen Zustimmung." Ferner nahm der Zuwendungsbescheid auf die Anlage ANBest-P Bezug. Dort war unter Nr. 5 eine unverzügliche Anzeigepflicht bei Änderung oder Wegfall des Verwendungszwecks oder sonstiger für die Bewilligung der Zuwendung maßgeblicher Umstände geregelt.

Nach Darstellung des Klägers sei bereits im Zuwendungsverfahren eine künftige Erweiterung aus betriebswirtschaftlichen Gründen angekündigt worden. So sei eine für die spätere Aufstockung erforderliche Stahlbetondecke Teil der Förderung gewesen. Zugunsten des Landes Sachsen-Anhalt war eine Buchgrundschuld bestellt worden.

Im Oktober 2009 beantragte der Kläger eine Baugenehmigung im Hinblick auf eine Aufstockung des Gebäudes um ein weiteres Geschoss sowie zur Erweiterung der vorhandenen Bereiche. Dafür nahm er keine Landesfördermittel in Anspruch. Der Umbau wurde mit Fremdkapital i.H.v. 1.870.000 EUR, mit Eigenmitteln sowie einer Förderung des Deutschen Hilfswerks finanziert. Zum Zwecke der Absicherung des Kredits beantragte der Kläger am 10. März 2010 beim Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt die Erweiterung des Gleichrangs im Grundbuch auf die kreditgebende Bank. Dabei wurden das Vorhaben der Erweiterung und des Umbaus skizziert. Das Ministerium stimmte dem Antrag im Hinblick auf die beabsichtigte Kapazitätserweiterung a...

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