Entscheidungsstichwort (Thema)

Absenkung des Arbeitslosengeld II. Bestimmtheit des Sanktionsbescheides. Verweigerung der Aufnahme zumutbarer Arbeit. Bestimmtheit des Arbeitsangebots. Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Bescheid über die Absenkung der Leistungen nach § 31 Abs 1 SGB 2 muss hinsichtlich der Höhe des Absenkungsbetrags hinreichend bestimmt sein. Dabei ist bei auslegungsbedürftigen Verfügungssätzen unter Anlegung des Maßstabs von Treu und Glauben zu prüfen, wie der Adressat diese verstehen musste.

2. Ist eine Absenkung "um 30% der Regelleistung, jedoch maximal 104,00 € monatlich, begrenzt auf die Höchstsumme des Gesamtauszahlungsbetrags" bestimmt worden, ist der Verfügungssatz auslegungsbedürftig. Kennt der Adressat die Regelleistungshöhe, muss er unter Anlegung des Maßstabs von Treu und Glauben von einem konkret bezifferten Absenkungsbetrag von 104,00 € und nicht lediglich von einem Betragsrahmen oder verschiedenen Absenkungsbeträgen ausgehen.

3. Die Zumutbarkeit einer Arbeit iS von § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst c SGB 2 richtet sich nach § 10 Abs 1 SGB 2; danach ist dem Hilfebedürftigen jede Arbeit zumutbar.

4. Kein sonstiger wichtiger Grund iS von § 10 Abs 1 Nr 5 SGB 2 ist der Wunsch nach einer beruflichen Veränderung.

5. Ein Vermittlungsangebot für eine zumutbare Arbeit muss hinreichend bestimmt sein. Dafür ist erforderlich, dass der Hilfebedürftige auf der Grundlage der dortigen Angaben in die Lage versetzt wird, die Zumutbarkeit zu prüfen und ein Vorstellungsgespräch mit dem potenziellen Arbeitgeber zu vereinbaren.

6. Zu den Anforderungen an die Belehrung über die Rechtsfolgen einer Weigerung der Arbeitsaufnahme.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 16. Mai 2008 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Absenkung des Anspruchs des Klägers auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. September bis 30. November 2007 in Höhe von insgesamt 360 €.

Der am 1x. Mai 19xx geborene Kläger hatte nach Abschluss der 10. Klasse der Polytechnischen Oberschule eine Lehre als BMSR-Mechaniker durchlaufen und war anschließend bis März 1992 als Angehöriger der Nationalen Volksarmee und der Bundeswehr beschäftigt gewesen. Er absolvierte von August 1992 bis Juni 1993 erfolgreich eine einjährige Hotelberufsfachschule; unter anderem erreichte er in dem Fach Englisch (Fortgeschrittene) die Note “gut„. Im Rahmen der weiteren Ausbildung erwarb er am 12. Juli 1994 das Prüfungszeugnis der Industrie- und Handelskammer H. -H. in dem Ausbildungsberuf als Hotelfachmann. Sodann war der Kläger von August 1994 bis Dezember 2004 für das Hotel S. in D. bzw. dem Hotel F. L. D. sowie einem weiteren Betreiber als Empfangsherr versicherungspflichtig beschäftigt. Während des vom 1. Januar 2005 bis 18. Januar 2006 dauernden Arbeitslosengeldbezugs erstellte der Kläger ein Bewerberprofil für die Tätigkeit als Hotelfachmann; dabei schätzte er seine Kenntnisse und Fertigkeiten zu der Bezeichnung Abrechnung, Gästebetreuung und Korrespondenz als “gut„ und zu der Bezeichnung Hotelempfang und Kassieren als “vorhanden„ ein. Auf Veranlassung des Beklagten hat der Kläger vom 27. August bis 2. November 2007 erfolgreich an einer Trainingsmaßnahme zum Erwerb von qualifizierten Kenntnissen im Bereich Hotel/Gastronomie/Service teilgenommen.

Der Kläger bezog Leistungen nach dem SGB II vom 27. Januar 2006 bis 30. Juni 2008. Zuletzt vor dem hier streitigen Zeitraum wurden ihm mit Bescheid vom 18. Mai 2007 Leistungen vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 in Höhe von 628,97 €/Monat bewilligt (Regelleistung 347,00 €, Kosten der Unterkunft und Heizung 265,97 €, befristeter Zuschlag 16,00 €).

Am 15. Mai 2007 unterzeichneten der Kläger sowie der seinerzeit bei dem Beklagten beschäftigte Zeuge B. eine bis 15. November 2007 gültige Eingliederungsvereinbarung. Darin verpflichtete sich der Kläger u.a., „…. alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken, insbesondere: Stellensuche/Erstellung von Bewerbungsunterlagen, .…„. Die Rechtsfolgenbelehrung enthielt Hinweise zu Grundpflichten, Meldepflichten und gemeinsamen Vorschriften. Der Kläger bestätigte mit seiner Unterschrift, die möglichen Rechtsfolgen seien ihm verdeutlicht worden.

Ein Gesprächsvermerk des Zeugen B., erstellt am 15. Mai 2007, 10.53 Uhr, hat folgenden Inhalt:

“Mit Hr. Kundendaten abgeglichen, Bewerberprofil überarbeitet, über Bewerbungssituation unterhalten.

Stellensuche durchgeführt, VV’s (Vermittlungsvorschläge) mit RFB (Rechtsfolgenbelehrung) ausgehändigt.

EGV (Eingliederungsvereinbarung) beidseitig erstellt, unterschrieben und ausgehändigt, Mobi/UBV (Unterstützung/Beratung/Vermittlung) (Bewerbungskostenantrag ausgehändigt),...

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