Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. häusliche Pflege. andere Leistung. Übernahme der angemessenen Kosten für eine besondere Pflegekraft. nicht bei Pflege durch nahe stehende Personen. Erstattung der angemessenen Aufwendungen einer Pflegeperson. nicht bei erwerbsmäßiger Pflege

 

Orientierungssatz

1. Familienangehörige oder dem Pflegebedürftigen sonst nahe stehende Personen können in der Regel nicht als besondere Pflegekräfte iS des § 65 Abs 1 S 2 SGB 12 angesehen werden, die für ihre Pflegeleistungen eine Vergütung erhalten. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Pflege durch Angehörige und nahe stehende Personen unentgeltlich geleistet wird, selbst wenn der oder die Pflegende eine ausgebildete Pflegekraft ist (vgl LSG Darmstadt vom 30.4.2007 - L 7 SO 14/07 ER und OVG Bremen vom 28.11.2008 - S3 A 233/08 = ZFSH/SGB 2009, 51).

2. Von § 65 Abs 1 S 1 SGB 12 werden nur Personen erfasst, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen in seiner häuslichen Umgebung pflegen.

 

Normenkette

SGB XII § 65 Abs. 1 Sätze 2, 1, § 61 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; SGG § 86b Abs. 2 Sätze 1-2

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 29. September 2010 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 5. November 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt M., Halle, bewilligt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller (Ast.) begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten für die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft nach § 65 Abs. 1 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII).

Der 1979 geborene Ast. war seit 2004 als selbstständiger Messebauer - auch im Ausland - tätig. Am 11. März 2009 erlitt er in Mailand eine Ponsblutung mit Ventrikeleinbruch. Nach seiner Verlegung in die Universitätsklinik für Neurologie H. am 20. März 2009 wurde er dort zunächst stationär weiterbehandelt und durchlief dann vom 14. April 2009 bis zum 20. Januar 2010 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Neurologischen Zentrum L.

Seit dem 1. März 2009 sind beim Ast. ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G", "B", "aG", "H" und "RF" anerkannt. Ferner ist seit Januar 2010 bei ihm die Pflegstufe III nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI) anerkannt. Er erhält aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Allianz Lebensversicherung seit dem 1. Januar 2010 monatlich 505,20 EUR bzw. ab dem 1. Dezember 2010 512,00 EUR. Vom 25. bis zum 28. Februar 2010 erhielt er monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitssuchende - SGB II) in Höhe von 45,88 EUR und vom 1. März bis zum 31. August 2010 in Höhe von 419,15 EUR. Zumindest seit dem 1. Januar 2011 bezieht er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 374,80 EUR monatlich. Der Ast. erhält schließlich von der Krankenversicherung für häusliche Pflege durch eine ambulante Pflegeeinrichtung bis maximal 1.510,00 EUR monatlich erstattet.

Am 14. Januar 2010 beantragte der Ast. bei dem Antragsgegner (Ag.) die Bewilligung von Hilfe zur Pflege im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe ab dem 1. Februar 2010. Er gab an, mit einer gleichfalls behinderten Person gemeinsam eine behinderten- und rollstuhlgerechte Wohnung im Rahmen einer Wohngemeinschaft bezogen zu haben.

Der Ag. zog das im Auftrag der privaten Pflegeversicherung erstellte Gutachten des Dipl.-Med. M. vom 21. Januar 2010 zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit bei. Darin sind als Pflege begründende Diagnosen der Zustand nach Ponsblutung mit Ventrikeleinbruch, eine beinbetonte Tetraparese, eine Fascialisparese rechts sowie eine komplexe Augenmotilitätsstörung mit Spontannystagmus aufgeführt. Pflegeerschwernisse seien das Körpergewicht über 80 kg (112 kg bei 197 cm Körpergröße) sowie einschießende unkontrollierte Bewegungen. Der Hilfebedarf bei den Verrichtungen des täglichen Lebens betrage für die Grundpflege 313 Minuten und für die Hauswirtschaft 60 Minuten. Es liege eine Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe III vor. Ein außergewöhnlicher hoher Pflegeaufwand bestehe nicht. Die Alltagskompetenz sei nicht erheblich eingeschränkt.

Mit Bescheid vom 4. Mai 2010 gewährte der Ag. dem Ast. ab dem 14. Januar 2010 Leistungen für die Kosten einer besonderen Pflegekraft gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, die die Leistungen der Pflegekasse übersteigen, sowie ergänzendes Pflegegeld gemäß § 64 Abs. 3 SGB XII in Höhe von monatlich 228,33 EUR. Der Entscheidung sei das für die Pflegekasse erstellte Gutachten vom 21. Januar 2010 zugrunde gelegt worden, wonach ein täglicher Pflegebedarf von 313 Minuten Grundpflege und 60 Minuten hauswirtschaftliche Verrichtungen bestehe. Dagegen legte der Ast. Widerspruch ein und machte geltend, es sei eine "Rund-um-die-Uhr"...

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