Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Arbeitslosengeld II. Antrag auf Übernahme der Umzugskosten. Rechtsschutzbedürfnis bei nur kurzfristigem Abwarten der behördlichen Entscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Rechtschutzbedürfnis für einen Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung besteht regelmäßig nur, wenn sich ein Antragsteller zuvor an die Verwaltung gewandt, dort einen Antrag auf die Leistung gestellt und eine gewisse Bearbeitungszeit abgewartet hat.

2. Der Verweis auf das Abwarten einer "angemessenen Bearbeitungszeit" ist grundsätzlich nicht mehr möglich, wenn das Verwaltungsverfahren bereits durch einen ablehnenden Verwaltungsakt beendet worden ist und es um die Bearbeitungszeiten in einem Widerspruchsverfahren geht. Etwas anderes kann gelten, wenn die Behörde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit einem veränderten Sachverhalt konfrontiert oder aufgrund einer bis dahin fehlenden Mitwirkung des Antragstellers an der Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen erst im Widerspruchsverfahren in die Lage versetzt wird, die Grundlagen einer Abhilfeentscheidung zu ermitteln.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 23. März 2017 wird aufgehoben. Den Antragstellerinnen wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Halle rückwirkend Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Riha-Krebs bewilligt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerinnen wenden sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein bei dem Sozialgericht Halle unter dem Aktenzeichen S 24 AS 720/17 ER geführtes und mittlerweile beendetes einstweiliges Rechtsschutzverfahren. In der Hauptsache begehrten die Antragstellerinnen die Übernahme von Aufwendungen für ein Umzugsunternehmen im Rahmen des Bezugs von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die 1971 geborene Antragstellerin zu 1) ist die Mutter der 2006 geborenen Antragstellerin zu 2). Die Antragstellerin zu 1) hat zwei weitere Kinder, den am ... 2000 geborenen Sohn T und den am ... 2002 geborenen Sohn K. Wegen des Zusammenzugs mit dem Kindsvater in B. erklärte die Antragstellerin zu 1), ab August 2009 keine Leistungen nach dem SGB II mehr zu benötigen. Am 22. Juni 2010 beantragte sie erneut die Zahlung von Leistungen nach dem SGB II und zog zum 13. Juli 2010 mit den Kindern in eine Wohnung im L. 17 in L ... Seither bezog die Antragstellerin zu 1) erneut Leistungen nach dem SGB II, die Antragstellerin zu 2) jedenfalls ab Februar 2017.

Am 12. Mai 2016 zog der 2000 geborene Sohn zu seinem Vater, besuchte aber weiterhin ein Gymnasium in L ... Mit Schreiben vom 26. Mai 2016 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu 1) zur Höhe der Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Rahmen einer Kostensenkungsaufforderung an.

Am 18. Oktober 2016 beantragte die Antragstellerin die Erteilung einer Zusicherung zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung für eine 63,82 qm große Wohnung im H. 3 in L ... Auch hier gab sie finanzielle Gründe für den geplanten Umzug an. Der Umzug solle für drei Personen (Antragstellerinnen und 2002 geborener Sohn) erfolgen. Der Antragsgegner lehnte die Erteilung einer Zusicherung wegen der Höhe der Kosten der Wohnung mit Bescheid vom 20. Oktober 2016 ab.

Zum 6. Februar 2017 zog auch der 2002 geborene Sohn zu seinem Vater, der zwischenzeitlich nach Q. umgezogen war.

Am 31. Januar 2017 beantragte die Antragstellerin zu 1) erneut die Erteilung einer Zusicherung zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung für die 63,82 qm große Wohnung im H. 3 in L ... Sie wolle aus finanziellen Gründen in eine kleinere Wohnung ziehen. Der Umzug solle für vier Personen (Antragstellerinnen und beide Söhne) erfolgen. Der Antragsgegner erteilte die Zusicherung mit Bescheid vom 2. Februar 2017, wobei er von Angemessenheitswerten für eine Vier-Personen-Bedarfsgemeinschaft ausging. Die Antragstellerin zu 1) mietete die Wohnung am 7. Februar 2017 an.

Am 20. Februar 2017 erhielt der Antragsgegner einen Antrag auf Gewährung von Wohnungsbeschaffungskosten in Form der Übernahme von Kosten für ein Umzugsunternehmen und einen geplanten Umzug im März 2017. Die Antragstellerin zu 1) erklärte, sie habe keine Verwandten und Bekannten, die ihr bei einem Umzug helfen könnten. Nach Rücksprache mit dem Vermieter erfuhr der Antragsgegner, dass die Wohnung bereits angemietet war und die Übergabe am 1. März 2017 erfolgen sollte. Mit Bescheid vom 28. Februar 2017 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Übernahme von Umzugskosten ab, weil die Antragstellerinnen zumutbar auf die Durchführung des Umzugs durch Selbsthilfemöglichkeiten zu verweisen seien. Sollte ein Fahrzeug angemietet werden, seien Kostenvoranschläge für diese Kosten einzureichen. Weiter solle mitgeteilt werden, welche weiteren Kosten anfielen.

Am 3. März 2017 (Freitag, 13:33 Uhr) legten die Antragstellerinnen Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Februar 2017 ein: Die alte Wohnung habe ursprüng...

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