Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der elektronischen Gesundheitskarte. Grundsätzlicher Ausschluss eines Anspruchs des Versicherten auf Ausstellung eines Berechtigungsscheins zur Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen

 

Orientierungssatz

1. Zum Nachweis seiner Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung hat der Versicherte, der vertragsärztliche Leistungen in Anspruch nimmt, dem behandelnden Vertragsarzt vor Beginn der Behandlung die elektronische Gesundheitskarte (eGK) auszuhändigen.

2. Er kann von der Krankenkasse nicht verlangen, dass ihm an deren Stelle ein quartalsbezogener Berechtigungsschein ausgehändigt wird. Für die Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen dient die eGK als ausschließlicher Nachweis für die Leistungsberechtigung des Versicherten.

3. Nach § 15 Abs. 6 S. 4 SGB 5 dient eine Ersatzbescheinigung nur zur Überbrückung von Übergangszeiten und ist nur befristet auszustellen.

4. Eine Ersatzbescheinigung kommt nur dann in Betracht, wenn eine eGK zwar wegen des Verschuldens des Versicherten noch nicht erstellt werden konnte, aber ihrer Ausstellung nicht grundsätzliche Hindernisse entgegenstehen.

5. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.11.2015 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Ausstellung von quartalsbezogenen Berechtigungsscheinen anstelle von Einzelfallnachweisen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Der Kläger war bis zum 31.07.2017 bei der Beklagten aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses gesetzlich krankenversichert. Er wandte sich in einem vom Senat am 28.11.2017 ebenfalls entschiedenen Berufungsverfahren (L 1 KR 398/14) gegen die gesetzliche Obliegenheit, vor Beginn einer ärztlichen- oder zahnärztlichen Behandlung eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen (§ 15 Abs. 2 i.V.m. § 291 ff. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ( SGB V)), und begehrte die Feststellung, dass er von der Beklagten Sachleistungen auch über den 31.12.2013 hinaus beziehen konnte, ohne eine eGK vorzulegen. Mehrfach weigerte er sich gegenüber der Beklagten, ein Lichtbild für die Ausstellung einer eGK zur Verfügung zu stellen.

Mit Schreiben vom 26.08.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihn ab dem 01.01.2015 für jeden geplanten Arztbesuch mit einer entsprechenden Einzelfallbestätigung versorgen werde. Der Kläger solle vorab den Termin, den Namen und die Adresse des Arztes telefonisch mitteilen. Dann sende ihm die Beklagte umgehend eine Einzelfallbestätigung zu. Das Schreiben enthielt ferner folgenden Zusatz:

"Bitte beachten sie:

Legen gesetzlich Krankenversicherte ab Januar 2015 keine eGK beim Arzt vor, werden sie trotzdem weiter behandelt. Hierauf weisen Krankenkassen und Ärzte ausdrücklich hin. Das Procedere des Versicherungsnachweises und der Abrechnung beim Arzt wird dadurch jedoch erschwert. In diesem Fall gelten folgende Regelungen in der Arztpraxis:

- Kann der Versicherte innerhalb von zehn Tagen nach der Behandlung dem Arzt eine zum Zeitpunkt der Behandlung gültige eGK vorlegen oder seinen zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden Leistungsanspruch von der zuständigen Krankenkasse anderweitig nachweisen, wird der Arzt keine Privatrechnung erstellen. Es erfolgt die normale Abrechnung über die Kassenärztliche Vereinigung mit der Krankenkasse.

- Kann der Versicherte innerhalb von zehn Tagen o. g. Versicherungsnachweis nicht erbringen, ist der Arzt berechtigt, dem Versicherten eine Privatvergütung in Rechnung zu stellen.

- Wenn dem Arzt bis zum Ende des Quartals, in dem die Behandlung erfolgte, eine zum Zeitpunkt der Behandlung gültige eGK vorgelegt wird oder wenn dem Arzt bis zum Ende des Quartals ein zum Zeitpunkt der Behandlung bestehender Leistungsanspruch des Versicherten von der zuständigen Krankenkasse nachgewiesen wird, ist der Arzt verpflichtet, die Privatvergütung zurückzuerstatten.

- In der Zahnarztpraxis gilt eine etwas abweichende Regelung: Hier besteht für den Versicherten zwar ebenfalls die Möglichkeit, die eGK oder einen anderen Anspruchsnachweis seiner Krankenkasse innerhalb von zehn Tagen nach der Behandlung vorzulegen, sodass vom Zahnarzt keine Privatrechnung gestellt wird. Ein Nachreichen des Versicherungsnachweises bis zum Ende des Quartals, in dem die Behandlung stattgefunden hat, ist in der zahnärztlichen Praxis jedoch nicht vorgesehen."

Der Kläger brachte daraufhin in mehreren Schreiben erneut seinen Unmut unter anderem über die eGK zum Ausdruck. Mit Schreiben vom 21.04.2015 forderte er die Beklagte auf, ihm unverzüglich einen papiergebundenen Anspruchsnachweis, der mindestens bis zum 30.06.2015 gültig ist, zuzusenden. Des Weiteren forderte er die Beklagte auf, i...

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