Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Dienstreise. Vorbereitungshandlung. Auftanken eines Fahrzeugs

 

Orientierungssatz

Das Auftanken eines Fahrzeugs bei Antritt der Fahrt oder unterwegs ist auch dann grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen, wenn das Fahrzeug für die Betriebstätigkeit unabdingbar benötigt wird. Das Tanken und die dafür erforderlichen Wege sind demnach also auch dann nicht unfallversichert, wenn dies dem Unternehmen mittelbar dient. Das gilt sowohl für den Unfallversicherungsschutz auf Betriebswegen bzw Dienstreisen als auch auf Wegen nach oder von dem Ort der Tätigkeit (vgl BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 35/03 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 6).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 08. März 2005 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte einen Verkehrsunfall vom 28. August 2002 als Arbeitsunfall anerkennen und entschädigen muss.

Der im Juli 1967 geborene Kläger war als selbständiger Maurermeister bei der Beklagten kraft Satzung versichert. Seine Wohnung und seine Büroräume befanden sich im selben Gebäude am U.-weg in O.. Zum Betriebsvermögen gehörte ein VW-Transporter. Für private Zwecke kaufte er Mitte August 2002 ein Motorcrossrad, das er aber nicht auf sich ummeldete.

Am Unfalltag war der Kläger um 18.30 Uhr bei der Dienstleistungsgesellschaft für T mbH in Kempen zu einer Besprechung verabredet. Um 17.53 Uhr stieß er in O. mit seinem Motorcrossrad auf dem W. Südring mit einem Opel Corsa zusammen und stürzte. PD Dr. L., Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie am Klinikum E., diagnostizierte einen Oberschenkelschaftbruch links sowie eine Schürfwunde am linken Unterschenkel und fügte die Knochenbruchenden mit Hilfe eines Marknagels operativ zusammen. Zum Unfallhergang vermerkte er im Durchgangsarztbericht vom 02. September 2002, dass der Kläger "auf dem Weg von der Baustelle nach Hause hinter [einer] Kurve auf einen stehenden Pkw" aufgefahren sei.

Mit Schreiben vom 08. September 2002 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe auf einer beruflichen Fahrt einen "Wegeunfall" mit dem Motorrad erlitten. Im Unfallfragebogen gab er an, er sei um 17.35 Uhr von seinem Büro zu dem Besprechungstermin in Kempen losgefahren. Er habe zunächst die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen, um über den W Südring eine Tankstelle auf der O.-allee aufzusuchen. Dabei sei er verunglückt.

Mit Bescheid vom 31. Januar 2003 lehnte es die Beklagte ab, den Verkehrsunfall als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen: Der Kläger sei nicht auf einem versicherten, sondern auf einem unversicherten (Ab-)Weg verunglückt. Denn er habe sich auf der Fahrt zur Tankstelle von seinem ursprünglichen Ziel wegbewegt und sein Motorrad aus eigenwirtschaftlichen Gründen betankt.

Dagegen erhob der Kläger am 24. Februar 2003 Widerspruch und führte aus, er habe am Unfalltag festgestellt, dass er vor dem Ortstermin in Kempen noch tanken müsse. Deshalb habe er sein Motorrad an der nahegelegenen Tankstelle auf der O.-allee betankt und sei von dort kommend auf dem direkten Weg zur Autobahn nach Kempen verunglückt, bevor er sein Wohn- und Bürohaus wieder erreicht bzw. passiert habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2003, der am 02. September 2003 zur Post gegeben worden ist, wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Fahrt zur Tankstelle habe mit der versicherten Tätigkeit in keiner "wesentlichen sachlichen Verbindung" gestanden. Das Tanken sei der Betriebstätigkeit vorangegangen und sei für die Arbeitsaufnahme möglicherweise unentbehrlich gewesen. Dennoch sei der Weg zu und von der Tankstelle dem persönlichen Lebensbereich und nicht der betrieblichen Sphäre zuzurechnen. "Örtlich gesehen" sei der Kläger auf einem Abweg verunglückt.

Hiergegen hat der Kläger am 01. Oktober 2003 vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben und behauptet, der Motorradtank sei praktisch leer gewesen. Da das Motorrad neu gewesen sei, habe er nicht gewusst, welche Wegstrecke er mit dem restlichen Tankinhalt noch zurücklegen könne. Um auf dem Weg nach Kempen nicht liegen zu bleiben und den Geschäftstermin pünktlich einzuhalten, habe er unbedingt tanken müssen. Aus diesem Grund stehe das Tanken in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei unfallversichert, wer auf einem versicherten Weg eine Tankstelle ansteuere, um nachzutanken. Nicht anders dürfe behandelt werden, wer die Tankstelle vor Beginn der versicherten Fahrt aufsuche. Zudem sei er nicht auf einem unversicherten Abweg, sondern auf dem direkten Weg von der Tankstelle zum Geschäftstermin verunglückt. Da er die nächstgelegene Tankstelle aufgesucht habe, sei er auf dem Hin- und Rückweg versichert gewesen. Die Schilderung zum Unfallhergang im Durchgangsarztbericht sei falsch; entsprechende Angaben hab...

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