Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. automatisierter Datenabgleich mit dem Bundeszentralamt für Steuern nach § 52 Abs 1 Nr 3 SGB 2. Verfassungsmäßigkeit. Recht auf informationelle Selbstbestimmung

 

Orientierungssatz

Mit dem automatisierten Datenabgleich nach § 52 Abs 1 Nr 3 SGB 2 wird zwar in das durch Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG gewährleistete Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Dieser Eingriff begegnet aber keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.04.2015; Aktenzeichen B 4 AS 39/14 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.11.2013 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den automatisierten Datenabgleich gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der im Jahr 1970 geborene Kläger erhielt vom Beklagten von Mai 2005 bis November 2006 Leistungen nach dem SGB II. Über den automatisierten vierteljährlichen Datenabgleich gemäß § 52 SGB II erhielt der Beklagte noch während des laufenden Leistungsbezugs Kenntnis davon, dass der Kläger im Jahr 2004 Einkünfte aus Vermögen erzielt hatte und forderte ihn vergeblich auf, die Höhe seines Vermögens sowie seine Kapitalerträge zu belegen. Der Beklagte entzog bzw. versagte dem Kläger daraufhin Leistungen nach dem SGB II. Die dagegen eingelegten Rechtsmittel des Klägers blieben ohne Erfolg, da der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen der Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen habe (LSG NRW, Urteil vom 25.03.2013 - L 20 AS 39/08). Seit August 2012 erhält der Kläger wieder fortlaufend Leistungen, die der Beklagte vorläufig bewilligte.

Am 27.12.2012 hat der Kläger Klage erhoben mit der er sich gegen die Durchführung des automatisierten Datenabgleichs nach § 52 SGB II gewendet hat. Das Gesetz stelle nicht sicher, dass nur Daten aus dem Zeitraum des Leistungsbezugs erhoben würden, vielmehr würden auch außerhalb liegende Daten übermittelt. Der automatisierte routinemäßige Datenabgleich in dieser gesetzlichen Form verstoße gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Der Kläger hat beantragt,

1. dem Beklagten aufzuerlegen, den Datenabgleich gemäß § 52 SGB II zu unterlassen,

2. die Rechtswidrigkeit des Datenabgleichs gemäß § 52 SGB II festzustellen, soweit dieser erfolgt ist,

3. die übermittelten Daten zu löschen, soweit Daten gemäß § 52 SGB II übermittelt worden sein.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren, mit dem der Kläger die Durchführung eines Datenabgleich verhindern wollte, ist erfolglos geblieben (Beschluss vom 12.2.2013 - S 37 AS 5304/12 ER und Beschluss des LSG NRW vom 28.3.2013 - L 7 AS 317/13 B ER).

Mit Urteil vom 22.11.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Unterlassung eines Datenabgleichs nach Maßgabe des § 52 SGB II. Die Vorschrift verstoße nicht gegen das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses aus Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) abgeleitete Grundrecht gewähre Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe von individualisierten oder individualisierbaren Daten. Eine Beschränkung dieses Rechts sei durch eine einfachgesetzliche Regelung grundsätzlich möglich, wenn diese dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspreche. Dies sei dann der Fall, wenn der Gesetzeszweck aus dem Gesetzestext iVm den Materialien deutlich werde. § 52 SGB II werde diesen Anforderungen gerecht. Die Vermeidung der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II als Gesetzeszweck, werde aus dem Gesetzestext iVm. den Materialien hinreichend deutlich. Außerdem regele § 52 SGB II, welche Behörde sich zu diesem Zweck des automatisierten Datenabgleich bedienen dürfe. Schließlich sei auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. Der Datenabgleich erfolge zur Überprüfung der Hilfebedürftigkeit. Er sei nur vorgesehen für solche Angaben, zu denen der Leistungsempfänger bei Antragstellung oder bei einer erheblichen Änderung der Verhältnisse verpflichtet sei. Die Überprüfung der Hilfebedürftigkeit, also der Leistungsberechtigung, stelle einen legitimen Zweck dar. Schutzwürdige Interessen des Bürgers müssten unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gegenüber den Interessen der Allgemeinheit an der Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs zurückstehen.

Gegen das am 04.12.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.01.2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, § 52 Abs. 1 Nr. 3 SGB II, der den Datenabgleich im Verhältnis zum Bundesamt für Finanzen regelt, sei verfassungswidrig und dürfe nicht ausgeführt werden. Eine Einschränkung, wie weit die Abfrage beim Bundesamt für Finanzen in die Vergangenheit gehen dürfe, sei nicht festgelegt. Da es sich um die Einschränkung des Grundrechts auf informationelle Selb...

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