Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Risikostrukturausgleich. Gesundheitsfonds. keine verfassungsrechtlich unzulässige faktische Subdelegation durch Beauftragung des Bundesversicherungsamtes. Rechtmäßigkeit der Zuweisungen für das Jahr 2009. Ermittlung risikoadjustierter Zuschläge für die im Rahmen des gewählten Klassifikationsmodells den Morbiditätsgruppen zuzuordnenden Versicherten. keine Rechtswidrigkeit des Jahresausgleichsbescheids wegen der Zurückweisung einer Korrekturmeldung oder einer Abweichung von den Werten der 14. Bekanntmachung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die §§ 29, 31 RSAV verstoßen nicht gegen § 268 Abs 2 S 1 SGB 5.

2. Die Beauftragung des Bundesversicherungsamtes mit der Festlegung eines Klassifikationsmodells (§ 31 Abs 4 S 1 RSAV) bedeutet keine verfassungsrechtlich unzulässige "faktische Subdelegation".

3. Die dem Jahresausgleich 2009 zu Grunde liegenden Festlegungen des Bundesversicherungsamtes vom 13.5.2008 in der Fassung der Änderungsbekanntgabe vom 29.5.2008 (Krankheitsauswahl) und 3.7.2008 (Festlegung der Morbiditätsgruppen, des Zuordnungsalgorithmus, des Regressions- und Berechnungsverfahrens) sind mit den Vorgaben des § 31 Abs 1 RSAV vereinbar.

4. Ein Jahresausgleichsbescheid ist wegen der Zurückweisung einer Korrekturmeldung die Daten der Diagnosen bei Krankenhausbehandlung betreffend oder der Abweichung von den Werten der 14. Bekanntmachung nicht rechtswidrig.

5. Die Einführung des direkt morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.05.2014; Aktenzeichen B 1 KR 5/14 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 2.500.000,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für das Jahr 2009.

Seit 1994 findet zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen ein Risikostrukturausgleichs (RSA) statt. In seiner ursprünglichen Gestaltung wurde die Morbidität der Versicherten indirekt über die Merkmale Alter, Geschlecht und Bezug einer Erwerbsminderungsrente berücksichtigt (§ 266 Abs. 1 Satz 2 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der ab 1994 geltenden Fassung). Damit wurden die zwischen den Krankenkassen bestehenden Morbiditätsunterschiede nur unzureichend berücksichtigt und Anreize für die Krankenkassen zur (unerwünschten) Risikoselektion durch Ausrichtung ihrer Geschäftspolitik an der Gewinnung "guter" Risiken gesetzt (vgl. BT-Drucks. 14/6432, 8). Mit dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10.12.2001 (BGBl. I, 3465) wurde in § 268 SGB V bestimmt, dass die Versichertengruppen nach § 266 Abs. 1 SGB V und die Gewichtungsfaktoren nach § 266 Abs. 2 SGB V vom 01.01.2007 an nach Klassifikationsmerkmalen zu bilden seien, die zugleich die Morbidität der Versicherten unmittelbar berücksichtige (sog. Morbi-RSA). Dabei wurden in 268 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-5 SGB V allgemeine Vorgaben für die Bildung der Morbiditätsgruppen gemacht. Abs. 2 Satz 1 a.a.O. räumt dem (jetzt) Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Ermächtigung ein, durch Rechtsverordnung nach § 266 Abs. 7 SGB V "das Nähere zur Umsetzung der Vorgaben nach Absatz 1" zu regeln.

Das Inkrafttreten des Morbi-RSA wurde zunächst auf den 01.01.2009 verschoben. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I, 378) wurden die Anforderungen an die Klassifikationsmerkmale in § 268 Abs. 1 Satz 1 SGB V in den Nummern 4 und 5 geändert und erhielten die heutige Fassung (Art. 1 Nr. 180 a GKV-WSG). Zugleich wurde § 31 Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) durch Art. 38 Nr. 6 GKV-WSG in die RSAV eingefügt. Dessen Abs. 1 gibt nähere Vorgaben für das Versichertenklassifikationsmodell (u.a. Begrenzung auf 50 - 80 Krankheiten) und regelt in Abs. 2 und 3 die Berufung eines Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesversicherungsamt (BVA), der Vorschläge für die Anpassung eines Klassifikationsmodells an die GKV und dessen Weiterentwicklung erarbeiten soll. Gemäß Abs. 4 legt das BVA auf der Grundlage dieser Empfehlung "die nach Abs. 1 Satz 2 zu berücksichtigenden Krankheiten, die aufgrund dieser Krankheiten zu Grunde zu legenden Morbiditäts-Gruppen, den Algorithmus für die Zuordnung der Versicherten zu den Morbiditätsgruppen, das Regressionsverfahren zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren und das Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Risikostrukturzuschläge nach Anhörung der Spitzenverbände der Krankenkassen" fest.

Seit dem 01.01.2009 werden die Versichertengruppen nach folgenden Merkmalen abgegrenzt (§ 29 RSAV):

- Morbiditätsgruppen (Nr. 1)

- Erwerbsminderung, differenziert nach Alter und Geschlecht (Nr. 2)

- Alter und Geschlecht (Nr. 3)

- sowie für Krankengeld nach Gruppen gemäß § 267 Abs. 2 Satz 2 SGB V (differenziert nach dem Umfang des Anspruchs auf Entgeltfortz...

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