Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Ausklammerung von Bemessungsmonaten. schwangerschaftsbedingte Einkommensnachteile. mutterschutzrechtliche Vorkehrungen. Vermeidung schwerer Tätigkeiten in der Schwangerschaft. befristete Tätigkeit als Kameraassistentin. kein Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags. analoge Anwendung des § 2b Abs 1 S 2 Nr 3 BEEG

 

Leitsatz (amtlich)

Unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 4 GG sind in entsprechender Anwendung der gesetzlichen Vorgaben des § 2b Abs 1 S 2 Nr 3 BEEG aus dem der Berechnung des Elterngeldes zugrunde liegenden vorgeburtlichen Bemessungszeitraum Kalendermonate auszuklammern, während derer die Mutter schwangerschaftsbedingte Einkommensnachteile erfahren hat.

 

Orientierungssatz

Solche schwangerschaftsbedingte Einkommensnachteile können vorliegen, wenn eine befristet beschäftigte Schwangere in einem Tätigkeitsfeld mit schwerer körperlicher Arbeit (hier als Kameraassistentin) aus Gründen der Schwangerschaft keinen befristeten (Anschluss-)Arbeitsvertrag mehr abgeschlossen hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.03.2023; Aktenzeichen B 10 EG 1/22 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 26. November 2020 aufgehoben.

Unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 3. Mai 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2019 wird der Beklagte verpflichtet, den Elterngeldanspruch der Klägerin unter Zugrundelegung des Zeitraums August 2016 bis Juli 2017 als Bemessungszeitraum für die Ermittlung des vorgeburtlichen Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit neu zu berechnen.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld für die Betreuung ihres zweiten Kindes, d.h. des am 23. Februar 2018 geborenen Sohnes I..

Ärztlicherseits festgestellt wurde die Schwangerschaft erstmals am 11. August 2017. Vor der Geburt ihres Kindes hatte die Klägerin seit dem 10. Januar 2018 Mutterschaftsgeld bezogen.

Die Klägerin arbeitet seit 2001 als Kameraassistentin insbesondere bei Filmproduktionen (vgl. insbesondere auch die Aufstellung der Projekte, an denen sie als Kameraassistentin mitgewirkt hat, auf Bl. 121 ff. GA). Nach einem berufsbegleitenden Studium hat sie 2007 den Bachelor of Arts im Studiengang „Filmmaking“ erworben.

Entsprechend den branchenüblichen Gepflogenheiten schließt sie bei einem entsprechenden Engagement mit dem Produktionsunternehmen jeweils einen befristeten Arbeitsvertrag für die Dauer der vorgesehenen Filmaufnahmen ab. Dementsprechend setzt sich ihr beruflicher Lebenslauf aus einer Vielzahl befristeter abhängiger Beschäftigungsverhältnisse zusammen, zwischen denen jeweils Zeiten der Arbeitslosigkeit liegen (vgl. wegen der Einzelheiten insbesondere die Anlagen zum Schriftsatz der Klägerin vom 10. Januar 2022 und namentlich den dort enthaltenen Versicherungsverlauf des Rentenversicherungsträgers vom 4. Februar 2021). Neben den Lohnzahlungen aus abhängiger Beschäftigung hatte die Klägerin 2016 und 2017 keine Einnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit.

Im Einzelnen war die Klägerin in den Jahren 2016 und 2017 während folgender Zeiträume ab Kameraassistentin abhängig beschäftigt (vgl. den o.g. Versicherungsverlauf):

Beschäftigungszeitraum

Arbeitsentgelt laut Versicherungsverlauf des Rentenversicherungsträgers, wobei nur das Entgelt bis zur jeweils maßgeblichen rentenrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze, welche sich 2017 auf kalendertäglich 216,67 € belief, berücksichtigt worden sind

3.3. bis 15.4.2016

7.560 €

1. bis 15.6.2016

1.739 €

19.7. bis 14.9.2016

9.720 €

21. bis 24.9.2016

827 € 

10. bis 18.10.2016

1.560 €

22.10. bis 18.11.2016

1.855 €

7. bis 8.11.2016

413 € 

10.11.2016 und 17.11.2016

Jeweils 207 €

16.12.2016

207 € 

16. bis 19.1.2017

847 €, die Gehaltsabrechnung der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von 1.040 € aus, Bl. 64 VV

15. bis 17.2.2017

635 €, die Gehaltsabrechnung der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von 780 € aus, Bl. 65 VV

2. bis 3.3.2017

413 € 

7.3.2017

212 €, die Gehaltsabrechnung der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von 380 € aus, Bl. 67 VV

10.3.2017

212 €, die Gehaltsabrechnungen der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von insgesamt 587,25 € aus, Bl. 68 VV

21. bis 23.3.2017

635 €, die Gehaltsabrechnungen der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von insgesamt 732,25 € aus, Bl. 69 f. VV

20.4.2017

212 €, die Gehaltsabrechnungen der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von insgesamt 260 € aus, Bl. 71 VV

6.6.2017

212 €, die Gehaltsabrechnungen der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von insgesamt 260 € aus, Bl. 72 VV

8.6. bis 27.7.2017

10.334 €, die Gehaltsabrechnungen der Arbeitgeberin weist ein Entgelt in Höhe von insgesamt 10.577,74 € aus, Bl. 73, 78 VV

Dem Grunde nach antragsgemäß bewilligte der beklagte Landkreis der Klägerin mit Bescheid vom 3. Mai 2018 in der Fassung des Widerspr...

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