Entscheidungsstichwort (Thema)

Künstlersozialversicherung. Versicherungspflicht. selbstständige Tanzdozentin. Erteilung von Flamencounterricht. keine Lehre darstellender Kunst. Freizeitsport

 

Orientierungssatz

Die Erteilung von Flamencounterricht einer selbstständigen Tanzdozentin, die hauptberuflich eine Flamencoschule betreibt, stellt keine Lehre von darstellender Kunst dar, sondern ist in seiner konkreten Ausprägung dem Format des Freizeitsports gleichzustellen und erfüllt somit nicht das Tatbestandsmerkmal einer künstlerischen Tätigkeit im Sinne des § 1 Nr 1 KSVG.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 28. August 2019 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufnahme in die Künstlersozialversicherung.

Die 1968 geborene Klägerin arbeitet seit März 2012 als selbstständige Tanzdozentin und hat eine Flamenco Schule in I. eröffnet, die sie seit dem 1. November 2017 hauptberuflich betreibt. Am 2. November 2017 beantragte sie die Aufnahme in die Künstlersozialversicherung.

Mit Bescheid vom 16. April 2018 lehnte die Beklagte eine Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung ab. Die Tätigkeit der Klägerin sei nicht als künstlerisch/publizistisch im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) anzusehen. Tanzlehrer seien nach dem KSVG versicherungspflichtig, wenn sie darstellende Kunst lehrten. Diese Voraussetzung sei erfüllt, wenn Bühnentanz (klassisches Ballett und zeitgenössische Tanzstile) gelehrt würden. Tanzdarbietungen im Rahmen von Theater-, Tanztheater, Oper oder Variete-Aufführungen seien generell der darstellenden Kunst zuzurechnen. Dagegen sei Tanzunterricht mit sportpädagogischer oder allgemeinpädagogischer Prägung nicht der Lehre darstellender Kunst zuzuordnen. Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ließen erkennen, dass ihr Unterricht nicht im Kontext mit Bühne/Tanztheater/Ballett stehe, sondern überwiegend sportlich bzw allgemeinpädagogisch ausgerichtet sei.

Mit ihrem Widerspruch wandte die Klägerin ein, dass der Flamenco aufgrund seiner geschichtlichen Entwicklung in ausgefeilter Technik und mit hohem künstlerischen Anspruch für die Bühne gelehrt, ausgeübt und präsentiert werde. Sie unterrichte den Flamenco Tanz als Kunstform. Sobald die Schüler ein ausreichendes Repertoire an Tänzen erarbeitet hätten, nähmen sie an Auftritten teil. In den letzten Jahren habe es Auftritte im J. Einkaufsland, 2013 bei einem Galaabend, 2014 und 2017 im K. und 2014, 2015, 2016 und 2017 beim Bürgerbrunch der L. Bürgerstiftung gegeben. Darüber hinaus trete die Klägerin im Rahmen solcher Auftritte als Solokünstlerin auf. Die Klägerin listete Auftritte, Workshops und neue Unterrichtsangebote im Jahr 2018 auf und legte Quittungen über Gagen und Unterrichtsverträge in Kopie vor. Darüber hinaus legte sie die Gewinnermittlung für 2017 bei der Beklagten vor, die einen steuerlichen Gewinn von 1.656,97 Euro auswies.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im Gegensatz zu den im Künstlerbericht von 1975 aufgeführten Katalogberufen wie Balletttänzer usw bedürfe es bei anderen Tanzformen der Abgrenzung von Tanzkunst und Tanzsport. Tanz-unterricht könne als Lehre von darstellender Kunst erfasst sein, wenn die Schüler schwerpunktmäßig durch den Unterricht befähigt werden sollten, selbst als Tänzer tätig zu werden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei eine Tätigkeit im Bereich der Tanzlehre künstlerisch, wenn sie an anerkannten Vorausbildungsschulen für Bühnentanz erfolge, in denen die Schüler auf die Aufnahmeprüfung für Tanzakademien vorbereitet würden. Dieses Ziel komme auch im Unterrichtsaufbau zum Ausdruck, der für die Teilnahme an den Kursen des zeitgenössischen Tanzes regelmäßig die Teilnahme am Ballettunterricht voraussetze. Die Haupteinnahmequelle der Klägerin seien Flamenco Workshops und Flamenco Unterricht. Es werde Schülern aller Altersklassen Flamenco Unterricht in verschiedenen Kursen erteilt. Es erfolge jedoch keine Bühnenausbildung, auch wenn die Schüler das Erlernte in gelegentlichen öffentlichen Aufführungen präsentierten. Die Klägerin selbst trete bei Festivalveranstaltungen auf. Diese Auftritte bildeten jedoch nicht den Schwerpunkt der Ausbildung, sondern erfolgten nur gelegentlich und die Einnahmen aus diesen Auftritten seien im Gesamtkontext der Einnahmen nur von untergeordneter Bedeutung.

Die Klägerin hat am 30. Januar 2019 Klage beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfülle ihre Tätigkeit weder pädagogische noch therapeutische Zwecke, sondern sei allein auf das Erlernen der Tanztechnik ausgerichtet. Dabei liege eine dem Ballett vergleichbare künstlerische Ausrichtung vor. Der Flamenco sei nicht auf der Website des M. in der Rubrik Tanzarten gelistet, sondern sei eine Kunstform. Die Klägerin habe in einem Flamenco-Boleadorastrio Duo als Artistin zwei Jahre im N. unte...

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