Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. nur teilweise Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Scheinmietvertrag unter Familienangehörigen. vorläufige befristete Übernahme nur der nachgewiesenen Verbrauchskosten. Verlängerung des Bewilligungszeitraums gemäß § 67 Abs 5 SGB 2

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Anspruch auf KdU-Leistungen bei Vorliegen eines Scheinmietvertrags.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 9. April 2020 wird abgeändert.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern vorläufig und unter dem Vorbehalt des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens (Klageverfahren vor dem SG Hildesheim S 37 AS 585/20) weitere SGB II-Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat März 2020 iHv 112, Euro, für die Monate April bis Juni 2020 sowie August bis Dezember 2020 iHv 182,77 Euro pro Monat und für den Monat Juli 2020 iHv 344,55 Euro zu zahlen (längstens jedoch bis zum Eintritt von Bestandskraft des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2020).

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Kosten für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen neben den bereits bewilligten Regelbedarfsleistungen auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zu gewähren.

Der 1960 geborene Antragsteller zu 1. und die 1974 geborene Antragstellerin zu 2. lebten mit ihren vier gemeinsamen Kindern (Antragsteller zu 3. bis 6., geboren in den Jahren 2009, 2011, 2012 und 2016) zunächst in einer Mietwohnung in L., wo sie vom Jobcenter Region Hannover laufende SGB II-Leistungen bezogen. Der Antragsteller zu 1. ist Deutscher während die Antragstellerin zu 2. über die russische Staatsangehörigkeit verfügt. Zum Jahresende 2019 wurde seitens des Vermieters die Wohnung in L. gekündigt. Die Antragsteller zogen daraufhin in eine im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners liegende Mietwohnung in M. (laut ersten Mietangeboten: 120 qm Wohnfläche; laut Mietvertrag: 130 qm Wohnfläche; 6 Zimmer). Im Vorfeld des Umzugs hatten die Antragsteller beim Antragsgegner (als dem für den neuen Wohnort zuständigen Jobcenter) eine Zusicherung zum Umzug nach § 22 Abs 4 SGB II beantragt. Hierzu hatten sie zunächst Mietangebote für die mittlerweile bezogene Wohnung des in N. (Russland) lebenden Vermieters O. vorgelegt, wonach die Nettokaltmiete inkl Vorauszahlungen für Betriebskosten, Heizkosten und Warmwasser insgesamt 1.043,57 Euro (Mietangebot vom 11. Oktober 2019, Bl 144 der Verwaltungsakte - VA -) bzw 1.073,57 Euro (Mietangebot vom 19. September 2019, Bl 138 VA) betragen sollte. Nachdem der Antragsgegner darauf hingewiesen hatte, dass die Unterkunftskosten zu hoch und somit unangemessen iSd § 22 Abs 1 SGB II seien, legten die Antragsteller ein abgeändertes Mietangebot des Vermieters P. vom 1. November 2019 vor, wonach der Mietpreis für dieselbe Wohnung lediglich noch 752,00 Euro pro Monat betragen sollte (630,00 Euro Kaltmiete; 82,00 Euro Betriebskosten; 140,00 Euro Heizkosten inklusive Warmwasser). Auf dieses zweite Mietangebot hin erteilte der Antragsgegner eine Zusicherung nach § 22 Abs 4 SGB II (Bescheid vom 13. November 2019, Bl 147 VA).

Am 26. November 2019 unterschrieben die Antragsteller sowie Herr P. mit Wirkung ab 1. Januar 2020 einen entsprechenden Mietvertrag. Zur Zahlungsweise hieß es in dem Mietvertrag wörtlich: „Die monatlich zu zahlenden Beträge sind vorschüssig mit Wertstellung zum 3. Werktag des Monats auf das Konto des Vermieters gutzubringen. Barzahlung ist ebenso möglich.“ Ein Konto, auf das die Miete überwiesen werden konnte, war im Mietvertrag nicht angegeben.

Auf ihren am 23. Dezember 2019 gestellten Antrag bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern für die Zeit ab 1. Januar 2020 laufende SGB II-Leistungen, allerdings lediglich als bis zum 30. Juni 2020 befristete vorläufige Leistungen iSd § 41a Abs 1 SGB II und nur in Höhe der Regelbedarfsleistungen nach § 20 SGB II (unter Anrechnung des für die Antragsteller zu 2. bis 4. gezahlten Kindergeldes - monatlicher Leistungsbetrag: 1.099,00 Euro). Die Vorläufigkeit begründete der Antragsgegner damit, dass hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und möglicherweise vorhandenen Vermögens die Prüfung noch nicht abgeschlossen sei (Bescheid vom 16. Januar 2020, Bl 62 VA). Insoweit hatte der Antragsgegner die Antragsteller bereits zuvor zu weiteren Erklärungen aufgefordert (ua zur Begründung, weshalb im Mietvertrag kein Konto des Vermieters genannt werde; Erläuterung, wie Barzahlungen an den in Russland lebenden Eigentümer erfolgen sollen; Nachweis für die Entrichtung der Mietkaution, vgl im Einzelnen: Schreiben des Antragsgegners vom 13. Januar 2020). Hierauf antworteten die Antragsteller, dass mittlerweile eine Kontoverbindung des Vermieters bei d...

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