Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. kein Anspruch auf Kostenübernahme für Mammaaugmentationsplastik nach Implantatentfernung im Rahmen einer Brustkrebstherapie. Entstellung an üblicherweise von Kleidung bedeckten Körperstellen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen

 

Orientierungssatz

1. Zum verneinten Anspruch auf Kostenübernahme für eine Mammaaugmentationsplastik (MAP) nach Implantatentfernung im Rahmen einer Brustkrebstherapie.

2. Eine Entstellung kann in eng begrenzten Ausnahmefällen auch an üblicherweise von Kleidung bedeckten Körperstellen möglich sein. Da die gesellschaftliche Teilhabe ganz überwiegend im bekleideten Zustand erfolgt, ist die Erheblichkeitsschwelle jedoch bei Auffälligkeiten im Gesichtsbereich deutlich eher überschritten, als an sonstigen, regelmäßig durch Kleidungsstücke verdeckten Bereichen des Körpers. In diesen Bereichen müssen die Auffälligkeiten deshalb besonders schwerwiegend sein. Erforderlich ist, dass selbst die Offenbarung im privaten Bereich die Teilhabe, etwa im Rahmen der Sexualität, nahezu ausschließen würde. Hierbei ist nicht das subjektive Empfinden der Betroffenen maßgeblich, sondern allein die objektiv zu erwartende Reaktion. Die Auffälligkeit muss evident abstoßend wirken (vgl BSG vom 10.3.2022 - B 1 KR 3/21 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 30. Juni 2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme für eine Mammaaugmentationsplastik (MAP).

Bei der 1970 geborenen Klägerin wurde 1996 eine ästhetische Augmentation beidseits mit Kochsalzimplantaten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung vorgenommen. Im Frühjahr 2017 stellte sie sich beim Frauenarzt wegen einer Prothesenleckage links vor. Im Zuge der präoperativen Abklärung zeigte sich ein Insitu-Karzinom. Beide Implantate wurden im Rahmen der Brustkrebstherapie entfernt. Präoperativ hatte die Klägerin eine Lifting-Operation zur Schaffung eines guten kosmetischen Ergebnisses abgelehnt, da sie definitiv die Wiedereinlage von Implantaten zu einem späteren Zeitpunkt wünschte (vorläufiger OP-Bericht vom 3. Mai 2017).

Mit Schreiben vom 24. April 2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Brustvergrößerung. Die IKK habe ihr im Jahr 1996 eine Kostenübernahme für Brustimplantate wegen psychischer Probleme bewilligt. Sie habe zuvor ein B-Körpchen getragen und fülle nun nicht mal mehr ein A-Körpchen aus. Die operierte rechte Brust sei im Seitenvergleich deutlich kleiner und habe eine sichtbare Auskerbung (Delle). Die Klägerin könne kein Schwimmbad mehr besuchen und traue sich nur noch mit weiter Bekleidung in die Öffentlichkeit. Da die Brüste als „paariges Organ“ gesehen würden und als Einheit betrachtet werden müssten, erstrecke sich der Antrag auf Kostenübernahme auf beide Brüste. Die Klägerin acht Farbfotos von ihrem Oberkörper in unbekleideten Zustand einreichte.

Mit Bescheid vom 12. Juni 2019 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab, da keine medizinische Indikation vorliege. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. In seiner Stellungnahme vom 28. August 2019 kam der MDK nach körperlicher Untersuchung zu der Beurteilung, dass eine eingezogene Narbe mit Weichteildefekt rechte Mamma nach Segmentresektion bei DCIS und nachfolgender Radio vorliege. Die rechte Brust sei von Form und Größe zum Körperbild der Klägerin zwar eher klein, aber noch passend. Die rechte Brust sei nach stattgehabter Bestrahlung etwas fester und straffer als die linke. Die linke Brust weise der Einteilung nach Regnault folgend keine echte Mammaptose auf. Ein krankheitswertiger Zustand oder entstellender Charakter aufgrund von Größe und Form der Brüste lasse sich nicht ableiten. Die medizinischen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung seien nicht erfüllt. Mit Schreiben vom 30. August 2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die medizinischen Voraussetzungen einer MAP mit Silikonimplantaten nach Beurteilung durch den MDK nicht vorlägen. Empfohlen werden könne vom MDK jedoch eine Narben- bzw Weichteilkorrektur. Insoweit könne nach Rücksprache mit einer Klinik ein entsprechender Leistungsantrag gestellt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2019, zugestellt am 21. November, wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf die Beurteilung durch den MDK zurück.

Die Klägerin hat am 20. Dezember 2019 Klage beim Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben. Zur Begründung hat sie auf den Arztbrief des G. Krankenhauses vom 3. März 2019 verwiesen, in dem auch seitens des Krankenhauses die Wiederherstellung beiderseitiger Brüste durch Implantate aus medizinisch psychologischen Gründen als dringend notwendig angesehen worden sei. Die Klägerin sei seit 2017 psychisch massiv angegriffen. Die Dellen im Brustgewebe seien medizinisch äußerst bedenklich und könnten weitere Folgeerkrankungen hervorrufen. Zudem habe ke...

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