Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Ruhen des Krankengeldanspruchs. Wochenfrist nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5. ärztliche Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf der Vorbescheinigung. Maßgeblichkeit des Datums der neuen Feststellung

 

Orientierungssatz

Folgt die ärztliche Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit zeitlich dem Ablauf der vorherigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach, ist für die Einhaltung der Meldeobliegenheit des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5 das Datum der (neuen) ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum 8. bis 14. Mai 2018.

Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er arbeitet als Linienpilot bei der L. Nach einem stationären Reha-Aufenthalt wurde der Kläger am 13. November 2017 vom Fliegerarzt des Medizinischen Dienstes der L. für fluguntauglich und damit für arbeitsunfähig befunden. Die Flugtauglichkeit des Klägers sollte durch einen Gutachter des Luftfahrtbundesamtes positiv festgestellt werden. Zu einer solchen Begutachtung kam es allerdings erst im Mai 2018. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers wurde von den Fliegerärzten der L. bis dahin jeweils monatlich verlängert. Ab dem 25. Dezember 2017 lagen die Voraussetzungen für die Zahlung von Krankengeld vor. Die Auszahlung des Krankengeldes verzögerte sich allerdings, weil die vom Kläger eingereichten Fluguntauglichkeitsbescheinigungen bei der Beklagten offenbar falsch verarbeitetet worden waren.

Mit Schreiben vom 3. April 2018 stellten die Fliegerärzte die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis 7. Mai 2018 fest. Diese Bescheinigung vom 3. April 2018 reichte der Kläger unstreitig rechtzeitig bei der Beklagten ein.

Eine Folgebescheinigung stellten die Fliegerärzte am 8. Mai 2018 aus. Diese Folgebescheinigung gab der Kläger am 15. Mai 2018 in einer Geschäftsstelle der Beklagten ab.

Mit Bescheid vom 16. Mai 2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Krankengeldanspruch in der Zeit vom 8. bis 14. Mai 2018 ruhe. Die Arbeitsunfähigkeit sei zuletzt bis zum 7. Mai 2018 bestätigt worden. Eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe der Kläger innerhalb einer Woche nach dem zuletzt bestätigten Ende der Arbeitsunfähigkeit bei der Beklagten einreichen müssen. Die neue Bescheinigung sei aber erst am 15. Mai 2018 und damit nicht innerhalb einer Woche bei der Beklagten eingegangen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 23. Mai 2018 Widerspruch ein. In seinem Widerspruchsschreiben trägt der Kläger unter anderem vor, dass ihm die Arbeitsunfähigkeits-bescheinigung vom 8. Mai 2018 durch seinen Arbeitgeber verspätet zugestellt worden sei. Er habe erst am 15. Mai 2018 die Möglichkeit gehabt, die Folgebescheinigung abzugeben.

Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2018 zurückgewiesen. Die Beklagte berief sich in der Begründung insbesondere auf die Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (SGB V). Die fortlaufende Arbeitsunfähigkeit sei der Krankenkasse grundsätzlich innerhalb einer Woche nach dem zuletzt vom Arzt bestätigten voraussichtlichen Bis-Datum zu melden. Im vorliegenden Fall sei die Meldefrist von einer Woche überschritten worden. Wegen dieser Spätmeldung ruhe der Krankengeldanspruch. Auf die verspätete Zustellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arbeitgeber komme es nicht an. Es sei Aufgabe des Versicherten, die Arbeitsunfähigkeit fristgerecht zu melden.

Der Kläger hat am 12. September 2018 Klage beim Sozialgericht erhoben. Er habe die neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst abends am 14. Mai 2018 in seinem Briefkasten vorgefunden.

Das Sozialgericht hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2019 stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der streitigen Bescheide zur Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 8. bis 14. Mai 2018 verurteilt. Der Anspruch des Klägers auf die Zahlung von Krankengeld folge aus § 44 Abs. 1 SGB V. Die ordnungsgemäße Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gem. § 46 S. 1 Nr. 2, S. 2 SGB V sei zwischen den Beteiligten unstreitig geblieben. Es stelle sich allein die Frage, ob der Krankengeldanspruch in dem streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 geruht habe, weil der Kläger das Fortbestehen seiner Arbeitsunfähigkeit nicht rechtzeitig gemeldet habe. Das sei nicht der Fall; ein Ruhenstatbestand sei nicht gegeben. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruhe der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet werde; dies gelte nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolge. Eine eigentliche Meldefrist sehe die Vorschrift nach ihrer Konstruktion (Grundsatz/Ausnahme) nicht vor; das Ruhen knüpfe grundsätzlich an den negativen Tatbestand („solange .. nicht gemeldet w...

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