Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versorgungsmanagement. Vertragsschluss mit privaten Beratungsunternehmen zwecks Kostenersparnis. Aufsichtsbehörde. Verpflichtung zur Kündigung solcher Verträge

 

Leitsatz (amtlich)

1.Weder das Versorgungsmanagement des § 11 Abs 4 SGB V noch das Wirtschaftlichkeitsgebot ermächtigen Krankenkassen dazu, zur Senkung ihrer Kosten mit privaten Beratungsunternehmen Verträge zu schließen, in denen für Gruppen von länger erkrankten oder stationär versorgten Versicherten Betreuungs- und Beratungsleistungen erbracht werden.

Aufsichtsbehörden dürfen die Krankenkassen dazu verpflichten, solche Verträge mit privaten Dritten zu kündigen, in denen sie Leistungen einkaufen, zu deren Erbringung sie gesetzlich nicht ermächtigt sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.10.2019; Aktenzeichen B 1 A 3/19 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen eine Aufsichtsverfügung der beklagten Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesversicherungsamt (BVA), mit dem diese von ihr verlangt, einen Vertrag über Beratungs- und Betreuungsleistungen, u.a. für Versicherte, zu kündigen.

Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse aus der Gruppe der Ersatzkassen. Sie schloss mit der Firma (L&B), einem Unternehmen, welches sowohl Leistungsträger als auch Leistungserbringer berät, auf der Grundlage eines Rahmenvertrags (30. Juni 2003/07. Juli 2003) zwei separate Verträge.

Der Rahmenvertrag bestimmt in § 1 („Ziel des Vertrags“) unter Absatz 1:

„L&B wird die GEK bei der Bemühung die Kosten der Versorgung im Bereich Krankenhaus sowie auch in den anderen Bereichen zu senken oder zu stabilisieren unterstützen. Dabei soll gleichzeitig die Qualität der Versorgung beibehalten oder verbessert werden.“

§ 1 Abs. 2 des Rahmenvertrags konkretisiert dies wie folgt:

„Die einzelnen Aufgaben, die L&B für die GEK übernimmt, werden in Detailverträgen geregelt. Die Detailverträge enthalten Angaben über das Ziel der Tätigkeit, die Aufgabe von L&B, die Mitwirkungspflicht der GEK sowie die Vergütung. Für diese Detailverträge gelten jedoch die Bedingungen dieses Rahmenvertrags nebst den als Anlage 1 beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der L&B.“

In dem „Detailvertrag zur Durchführung eines Versorgungsmanagements auf der Grundlage von § 11 Abs. 4 SGB V“ zu „GEK ProGesundheit“ vom 18./22. September 2009 (im Folgenden: ProGesundheit) verpflichtete sich L&BVersicherte der Klägerin als „Leistung des Versorgungsmanagements“ zu betreuen.

Zum “Hintergrund“ führt der Detailvertrag einleitend aus:

„Entsprechend § 11 Abs. 4 S. 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgungsmanagement. Das bedeutet begrifflich, dass der gesamte Behandlungsbedarf in seinem Ablauf “verwaltet“, organisiert und geleitet wird. Dieser Anspruch richtet sich primär gegenüber den Leistungserbringern; entsprechend § 11 Abs. 4 S. 3 SGB V haben die Krankenkassen die Leistungserbringer in dieser Aufgabe zu unterstützen.

Mit diesem Detailvertrag soll für bestimmte Versichertengruppen die Grundlage für eine solche Unterstützungsleistung zusammen mit der Firma L&B geschaffen werden.“

Das Versorgungsmanagement umfasst nach der Leistungsbeschreibung (Anlage 2 zum Vertrag) folgende Inhalte:

a. Selektion der potentiellen Teilnehmer

b. Teilnehmergewinnung

c. Assessment auf Basis von GEK-Daten sowie Gesprächen mit Teilnehmern und Leistungserbringern

d. Betreuung der Versicherten und Versorgungssteuerung im intensitätsorientierten Interventionsmodell

e. Berichtswesen/Dokumentation

f. Evaluation

Zu den Aufgaben der Klägerin gehört, zunächst Versicherte zu identifizieren, die an bestimmten schweren oder chronischen Erkrankungen gemäß der insoweit nicht abschließenden Anlage 1 zum Vertrag leiden, insbesondere an Diabetes, Adipositas, Hypertonie, Herzinsuffizienz, Osteoporose KHK (Koronare Herzkrankheit), TIA (Transitorische ischämische Attacke)/Schlaganfall und Rückenschmerzen. Ausgeschlossen sollen dagegen Erkrankungen wie u.a. HIV und psychische Erkrankungen sein.

Zum “Vertragsgegenstand“ führt § 1 aus:

„1. Zur Ergänzung der medizinischen Versorgung von Versicherten mit bestimmten schwerwiegenden Erkrankungen, zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Versorgung und zur effizienteren Nutzung vorhandener Ressourcen bietet die GEK in Zusammenarbeit mit L&B den betroffenen Versicherten das Versorgungsmanagement „GEK ProGesundheit“ an. Die GEK stellt den in Frage kommenden Versicherten diese Leistung nach § 11 Abs. 4 SGB V zur Verfügung.

2. Gegenstand des Vertrages ist die prädiktive Selektion sowie die Gewinnung der potentiellen Teilnehmer für das Versorgungsmanagement und die Betreuung der betroffenen Versicherten der GEK, die durch die Regelversorgung und im Übergang zwischen den einzelnen Leistungs- und Versorgungsbereichen nicht ausreichend betreut und unterstützt werden und einer ergänzenden Hilfestellung zur Organisation von wirtschaftlich und medizin...

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