Entscheidungsstichwort (Thema)

Alterssicherung der Landwirte. Befreiungsantrag der Ehefrau eines Landwirts im Nebenerwerb. Missbrauchskosten

 

Orientierungssatz

1. Die befristeten Übergangsregelungen des § 85 Abs 3 S 1, Abs 4 S 1 ALG bewahren nur die erstmals zum 01.01.1995 neu in die Versicherungspflicht einbezogenen Landwirtsehegatten davor, zur Landwirtschaftlichen Alterskasse beitragspflichtig zu werden, - u. a. - unter der Voraussetzung, dass eine anderweitige, außerhalb des landwirtschaftlichen Alterssicherungssystems öffentlich- oder privatrechtliche Alterssicherung abgeschlossen worden ist (§ 85 Abs 3 Satz 1 Nr 3, Abs 4 Nr 3 ALG; vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2000 - B 10 LW 1/99 R).

2. Nach dem ALG besteht ein differenziertes System von Regel (Versicherungspflicht) und Ausnahme (Versicherungsfreiheit bzw Befreiung auf Antrag), das grundsätzlich keiner gesetzesergänzenden, lückenschließenden Auslegung zugänglich ist (vgl. BSG, Beschluss vom 20.01.2009 - B 10 LW 9/08 B).

3. Missbrauch im Sinne der §§ 192 Abs 1 S 1 Nr 2, S 2, S 3, 184 Abs 2 SGG ist anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Dabei ist von einem Rechtsanwalt zu verlangen, dass er sich mit der Materie auseinandersetzt, die Rechtsprechung zu den aufgeworfenen Fragen prüft und die Erfolgsaussichten eingehend abwägt.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Beigeladenen sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Klägerin hat 225 Euro als Missbrauchskosten an die Landeskasse zu zahlen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht zur Beklagten.

Die 1956 geborene Klägerin ist die Ehefrau des Beigeladenen, der seit dem 01. Juli 2004 ein landwirtschaftliches Unternehmen als Nebenerwerbslandwirt führt.

Mit Bescheid vom 10. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2005 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin zur Landwirtschaftlichen Alterskasse fest. Die hiergegen erhobene Klage ist zurückgenommen worden.

Den am 04. Oktober 2004 bei der Beklagten gestellten Antrag auf Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht, der damit begründet worden war, dass die Klägerin Hausfrau sei, wies die Beklagte mit Bescheid vom 05. Dezember 2005 zurück. Das gegen diesen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Dezember 2007 beim Sozialgericht Potsdam unter dem Az.: S 16 LW 1/08 geführte Klageverfahren ist zum Ruhen gebracht und danach aus dem Prozessregister ausgetragen worden.

Nachdem die Beklagte in dem Verfahren Az.: S 16 LW 2/05 den von der Klägerin gegen die Feststellung ihrer Versicherungspflicht eingelegten Widerspruch vom 07. Dezember 2004 in einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht umgedeutet hatte (Niederschrift der öffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Potsdam vom 14. September 2007 mit S 16 LW 2/05), lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte mit weiterem Bescheid vom 01. Oktober 2007 ab, da keiner der Befreiungstatbestände des § 3 ALG erfüllt sei. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07. Dezember 2007 zurück.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10. Dezember 2007 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 09. Januar 2008 Klage beim Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben. Zur Begründung ist unter anderem vorgetragen worden, dass sie nach erfolgter Berufsausbildung zu keiner Zeit eine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe und auch gegenwärtig tatsächlich nicht im landwirtschaftlichen Betrieb des Beigeladenen tätig sei. Sie sei über die Witwenversicherung rentenversicherungstechnisch abgesichert. Sie wende sich mit der Klage gegen die gesetzliche Fiktion, wonach sie wie ein landwirtschaftlicher Unternehmer behandelt werde. Der Schutzzweck des Gesetzes treffe auf sie nicht zu. Im Übrigen liege ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) vor. Es gehe der Klägerin mit ihrer Klage nicht um die Subsumtion unter die Tatbestandsvoraussetzung des § 3 ALG. Hier sei zwischen den Beteiligten klar, dass diese dem Wortlaut nach nicht erfüllt seien. Es gehe der Klägerin vielmehr darum festzustellen, dass aufgrund ihrer privaten Vorsorge und des bisherigen Lebenszuschnitts ein gesonderter Befreiungstatbestand durch den Gesetzgeber geschaffen worden wäre, wenn er diese Situation berücksichtigt hätte.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 01. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Dezember 2007 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 ALG hat.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss des SG vom 14. Januar 2009 ist der Ehemann der Klä...

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