Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtzeitige vertragsärztliche Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten als Voraussetzung einer Weiterbewilligung von Krankengeld - Gesetzliche Neuregelung ab 11. 5. 2019

 

Orientierungssatz

1. Nach der ab 11. 5. 2019 geltenden Fassung des § 46 S. 3 SGB 5 bleibt bei Versicherten, deren Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB 5 vom Bestand des Anspruchs auf Krankengeld abhängig ist, der Anspruch auf Krankengeld auch dann bestehen, wenn die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit nicht am nächsten Werktag i. S. von Satz 2, aber spätestens innerhalb eines Monats nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Der Regelung ist keine Rückwirkung beigemessen.

2. Im Übrigen ist es zur Weiterbewilligung von Krankengeld erforderlich, dass sich der Versicherte zur Ausstellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig um den hierzu notwendigen Arzt-Patienten-Kontakt bemüht. Es ist nicht Sache des Vertragsarztes, die lückenlose Krankschreibung von Versicherten eigeninitiativ zu überwachen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Krankengeld über den 8. Juni 2018 hinaus.

Die im Jahre 1981 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie war seit dem 19. September 2017 arbeitsunfähig, bezog zunächst sechswöchige Lohnfortzahlung und anschließend Krankengeld. Das Arbeitsverhältnis endete zum 20. März 2018. Mit Gültigkeit bis einschließlich 8. Juni 2018 legte die Klägerin nahtlos Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, zuletzt ausgestellt von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie S. B am 11. Mai 2018, basierend auf der Diagnose F32.1 (mittelgradige depressive Episode).

Für die Zeit vom 9. bis 17. Juni 2018 wurde Arbeitsunfähigkeit nicht bescheinigt.

Am 18. Juni 2018 bescheinigte die Ärztin B Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 30. Juli 2018. Vom 25. Juli 2018 bis zum 29. August 2018 wurde die Klägerin stationär behandelt (Klinik am H, Zentrum für Neurologie, Kardiologie, Orthopädie, Psychosomatik, Medical Wellness). Für den Zeitraum 30. August 2018 bis 31. Januar 2019 bescheinigte die Ärztin B Arbeitsunfähigkeit, durchweg aufgrund der Diagnose F32.1.

Mit Bescheid vom 19. Juni 2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Anspruch auf Krankengeld mit dem 8. Juni 2018 ende. Seit dem 9. Juni 2018 sei sie in Ermangelung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert. Die erneute Krankschreibung datiere erst vom 18. Juni 2018 und damit nicht vom ersten Werktag nach dem 8. Juni 2018. Ein nachgehender Krankengeldanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V bestehe nicht, denn die Klägerin werde voraussichtlich länger als einen Monat nach dem Ende des Krankengeldanspruchs arbeitsunfähig sein.

Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr sei bewusst, der Nachweispflicht in Bezug auf ihre Arbeitsunfähigkeit nicht ordnungsgemäß nachgekommen zu sein. Sie habe am 4. Juni 2018 einen Termin bei der Ärztin B gehabt, wobei sie es „leider versäumt“ bzw. „schlichtweg vergessen“ habe, einen neuen Krankenschein anzufordern. Ein Merkmal ihrer Erkrankung seien Konzentrationsstörungen. Sie sei davon ausgegangen, dass ihr Krankenschein noch bis zum 18. Juni 2018 gelte. Zugleich legte sie ein Attest der Ärztin B vom 22. Juni 2018 vor; danach sei die Klägerin seit dem 13. Februar 2018 durchgehend und bis auf weiteres arbeitsunfähig. Aufgrund ihrer starken Konzentrationseinschränkung als Symptom der Depression habe sie vergessen, sich am 8. Juni 2018 eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2018 zurück. Für die Aufrechterhaltung ihres Krankengeldanspruchs sei es nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich gewesen, Arbeitsunfähigkeit nahtlos bescheinigen zu lassen. Dem sei die Klägerin nicht nachgekommen. Die Regel sei strikt zu befolgen, weshalb das Vorbringen der Klägerin im Widerspruchsverfahren unerheblich sei. Ein nachgehender Anspruch auf Krankengeld auf der Grundlage von § 19 Abs. 2 SGB V scheide aus, weil ein sich innerhalb eines Monats anschließendes Versicherungspflichtverhältnis nicht in Sicht gewesen sei, so dass die Krankenversicherung ab 9. Juni 2018 als freiwillige fortzusetzen gewesen sei (Hinweis auf B 1 KR 25/14 R).Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 11. Mai 2017 (B 3 KR 22/15 R) bezogen, wonach eine Ausnahme vom Gebot der nahtlosen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu machen sei, wenn kein Zweifel an der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit im maßgeblichen Zeitraum bestehe und keinerlei Anhaltspunkte für einen Leistungsmissbrauch e...

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