Entscheidungsstichwort (Thema)

Auferlegung von Verschuldenskosten bei missbräuchlicher Rechtsverfolgung

 

Orientierungssatz

1. § 101 Abs. 2 SGG bestimmt, dass das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs insoweit den Rechtstreit in der Hauptsache erledigt. Das Anerkenntnis ist als Prozesshandlung gegenüber dem Gericht, nicht gegenüber dem Kläger abzugeben.

2. Die bloße Erteilung eines Bescheides stellt prozessrechtlich als tatsächliche Handlung einen Realakt dar, nicht jedoch eine Prozesshandlung.

3. Die Auferlegung von Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG setzt u. a. eine Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung voraus. Allein die Aussichtslosigkeit der weiteren Rechtsverfolgung genügt hierzu nicht. Hinzukommen müssen vielmehr weitere Umstände, welche die Rechtsverfolgung im Einzelfall missbräuchlich erscheinen lassen. Eine Missbräuchlichkeit ist u. a. dann anzunehmen, wenn das Klagebegehren offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und seine Weiterverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 27. September 2013 aufgehoben, soweit darin dem Klägerbevollmächtigten Verschuldenskosten i.H.v. 500,00 € auferlegt werden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die 1983 geborene Klägerin bezieht seit Dezember 2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II).

Am 31. März 2011 beantragte sie beim Beklagten die Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide der Grundsicherung seit dem 01. Januar 2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide. Am selben Tag gingen im Namen der Klägerin gestellte und vom jetzigen Prozessbevollmächtigten formulierte Überprüfungsanträge betreffend die Bewilligungsbescheide vom 19. Januar 2010, 23. Juli 2010 und 02. Februar 2011, jeweils einschließlich sämtlicher hierzu ergangener Änderungsbescheide, sowie mehrere Widersprüche beim Beklagten ein.

Mit Bescheid vom 25. Mai 2011 lehnte der Beklagte die Überprüfung der Bescheide vom 19. Januar 2010, 23. Juli 2010 und 02. Februar 2011 einschließlich aller Änderungsbescheide ab. Eine von der Klägerin am 12. Juli 2011 unterzeichnete Vollmacht des Prozessbevollmächtigten ging am 23. Juli 2011 als Faxkopie beim Beklagten ein.

Am 04. Oktober 2011 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Cottbus (SG) erhoben und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, auf ihren Überprüfungsantrag vom 31. März 2011 eine Entscheidung zu erlassen. Unter dem 10. Januar 2012 hat der Beklagte mitgeteilt, er habe am selben Tag den begehrten Bescheid erlassen, womit sich der Rechtsstreit erledigt haben dürfte. Den an den Bevollmächtigten der Klägerin gerichteten Bescheid vom 10. Januar 2012 hat der Beklagte zur Kenntnisnahme für das SG beigefügt.

Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2012 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, er nehme “das durch Erlass des erbetenen Bescheides konkludent erklärte Anerkenntnis der Beklagten ausdrücklich an und beantrage zu entscheiden, dass die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten hat.„ Eine Erledigungserklärung werde ausdrücklich nicht abgegeben, einer Umdeutung werde widersprochen. Für den Fall des Kostengrundanerkenntnisses des Beklagten werde bereits jetzt die Annahme erklärt und beantragt, die entstandenen Kosten auf 648,55 € festzusetzen. Auf den Hinweis des Gerichts, dass gerichtlicherseits in der Erklärung des Beklagten kein Anerkenntnis gesehen und um Mitteilung gebeten werde, ob das Verfahren erledigt sein solle, hat der Prozessbevollmächtigte bekräftigt, dass eine Erledigungserklärung nicht abgegeben werde. Einer solchen Erklärung bedürfe es auch nicht, da das Verfahren durch angenommenes Anerkenntnis beendet sei.

Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 29. Oktober 2012 als unzulässig abgewiesen. Dabei ist es davon ausgegangen, die Klägerin beantrage, den Beklagten zu verurteilen, über den Antrag vom 31. März 2011 zu entscheiden. Es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis für die so verstandene Klage, weil das Begehren vollumfänglich erfüllt worden sei. Das Rechtsschutzbedürfnis sei auch dann entfallen, wenn die Klägerin zwar ein Anerkenntnis annehme und Kostenantrag stelle, die Sache aber ausdrücklich nicht für erledigt erkläre. Für die Klärung der Frage, ob ein Anerkenntnis vorliege oder die Sache anderweitig erledigt sei, bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Im sozialgerichtlichen Verfahren habe dies keinerlei Einfluss auf die Rechte der Klägerin. Damit sei die Sache erledigt, wenn die Klage nicht als normale Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage fortgeführt werde. Bei einer Untätigkeitsklage trete die Erledigung automatisch durch den Erlass des gewünschten Bescheides ein.

Die hiergegen am 07. November 2012 erhobene Berufung der Klägerin hat da...

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