Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. Erstausstattung der Wohnung. Begriff. Gebrauchtmöbel. Verschiebung der Anschaffung. Streitgegenstand. unabweisbarer Bedarf

 

Orientierungssatz

1. Hinsichtlich der Ansprüche auf Erbringung eines den Umständen nach unabweisbaren Bedarfs nach § 23 Abs 1 S 1 SGB 2 und Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung nach § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 handelt es sich um unterschiedliche materielle Ansprüche und prozessual um unterschiedliche Streitgegenstände.

2. Der Begriff der Erstausstattung iS des § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 ist bedarfsbezogen zu verstehen. Er umfasst die Bedarfe an allen Wohnungsgegenständen, die für eine geordnete Haushaltsführung und ein menschenwürdiges Wohnen erforderlich sind (vgl LSG Halle vom 14.2.2007 - L 2 B 261/06 AS ER = ZFSH/SGB 2007, 475).

3. Eine Verweisung auf die Anschaffung von gebrauchten Möbel ist nicht zu beanstanden, denn der Verweis ist keine unzulässige Ausgrenzung des Leistungsempfängers, sondern der Verweis auf ein übliches, sparsames Verhalten (vgl LSG Halle, aaO).

4. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck sowie Zielsetzung des § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2, für atypische Bedarfe im Bereich der Existenzsicherung eine Härtefallregelung zu finden, müssen iS einer teleologischen Reduktion jedoch solche Fallkonstellationen vom Anspruch ausgeschlossen werden, in denen Leistungsempfänger bei Bestehen eines akuten Bedarfs aus eigener freier Entscheidung die Anschaffung an sich erforderlicher haushaltstypischer Wohnungsgegenstände auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, obgleich ihnen mit den im Bedarfszeitpunkt zur Verfügung stehenden Mitteln die Beschaffung der Gegenstände möglich gewesen wäre.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.08.2009; Aktenzeichen B 14 AS 45/08 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen für Erstausstattungen seiner Wohnung als verlorenen Zuschuss.

Der am … 1966 geborene Kläger wohnt seit Dezember 2003 in der ab 16. November 2003 angemieteten Wohnung in der F in B (42,2 m 2 , 2 Zimmer, Küche, Bad, Flur, Keller) und bezog bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe (wöchentlich 158,76 EUR) sowie Wohngeld. Seit 1. Januar 2005 bezieht er vom Beklagten Arbeitslosengeld (Alg) II.

Mit seinem “Antrag auf Erstausstattung gemäß § 23 Abs. 3 SGB II„ vom 26. November 2005 beantragte er am 30. November 2005 für seine Wohnung folgende Einrichtungsgegenstände:

- Küchenschränke

- Wohnzimmerschränke

- ein Bett mit Lattenrost und neuer Matratze

- Fußbodenbelag

- 1 Schuhschrank/Garderobe für den Flur

Zur Begründung seines Antrags führte er aus, dass er seit dem Ende seines letzten (befristeten) Arbeitsverhältnisses Ende 2003 keine Arbeitsstelle mehr gehabt habe. Er habe noch Schulden abzuzahlen gehabt. Es sei ihm nicht möglich gewesen, die Grundausstattung der Wohnung aus eigenen Mitteln zu komplettieren.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2006 den Antrag auf Übernahme von Kosten der Erstausstattung der Wohnung ab mit der Begründung, dass der Kläger in der Lage sei, die Kosten hierfür in vollem Umfang aus eigenen Kräften und Mitteln zu decken. Die Entscheidung beruhe auf § 23 Abs. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Eine Erstausstattung für die Wohnung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II käme nach der Gesetzesbegründung z.B. nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft in Betracht. Gleiches habe zu gelten bei der Erstanmietung einer Wohnung im Fall einer Trennung oder Scheidung oder aufgrund eines Auszuges eines Kindes aus dem Haushalt der Eltern, im Fall eines neu gegründeten Haushaltes wegen Heirat, nach Zuzug aus dem Ausland oder wenn ein Wohnungsloser eine Wohnung finde. Eine Erstausstattung könne ferner durch einen neuen Bedarf aufgrund außergewöhnlicher Umstände begründet sein. Solche besonderen Umstände seien nicht gegeben. Der Kläger bewohne seine Wohnung schon seit einigen Jahren.

Hiergegen hat der Kläger am 28. Februar 2006 bei dem Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben und die “Wohnungsbeschreibung und Übergabeverhandlung„ vom 17. November 2003 vorgelegt. Der Beklagte hat auf Anregung des SG die Wohnungssituation des Klägers überprüft - auf den Prüfbericht vom 10. Mai 2006 wird Bezug genommen - und mit Bescheid vom 10. Mai 2006 dem Kläger gemäß § 23 Abs. 1 SGB II die unter dem 26. November 2005 beantragten Leistungen als Darlehen in Höhe des Anschaffungswertes von einmalig 344 EUR bewilligt, zur Anschaffung der Matratze einen Betrag von 50 EUR überwiesen, für die restlichen Möbel - mit Ausnahme eines Schuhschranks und eines Bodenbelages - Gutscheine ausgestellt und die Aufrechnung des Darlehns gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II ab dem 1. Juni 2006 in monatlichen Raten in Höhe...

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