Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Anordnung des persönlichen Erscheinens zu einem Erörterungstermin. Voraussetzung der Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen Ausbleibens im Erörterungstermin. Kostentragung im Beschwerdeverfahren über die Ordnungsgeldfestsetzung

 

Orientierungssatz

1. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen des Nichterscheinens der persönlich geladenen Partei zu einem Erörterungstermin kann im sozialgerichtlichen Verfahren nur dann erfolgen, wenn das Ausbleiben der Partei tatsächlich die Sachverhaltsaufklärung erschwert und damit den Prozess verzögert hat. Die Ahndung einer bloßen Missachtung des Gerichts durch Festsetzung eines Ordnungsgeldes kommt dagegen im sozialgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht.

2. In einem Beschwerdeverfahren gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen Ausbleibens in einem Termin ist im Rahmen der Beschwerdeentscheidung auch über die Kosten der Beschwerde zu entscheiden. Dabei sind die Kosten bei Stattgabe der Beschwerde der Staatskasse aufzuerlegen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 31. Januar 2012 aufgehoben.

Die Staatskasse hat dem Kläger die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 Euro, das das Sozialgericht (SG) Potsdam ihm wegen seines Ausbleibens an dem Erörterungstermin am 13. Januar 2012 in dem Klageverfahren S 41 AS 2346/10 auferlegt hat.

Die Beschwerde, die angesichts dessen, dass das einen Ordnungsgeldbeschluss betreffende Beschwerdeverfahren nicht kontradiktorisch ausgestaltet ist, keinen Beschwerdegegner kennt (so für den Fall einer Beschwerde gegen eines Ordnungsgeldbeschluss gegenüber einem säumigen Sachverständigen schon Landessozialgericht ≪LSG≫ Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Mai 2011 - L 11 SB 285/09 B, juris), ist gemäß §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und begründet. Der Ordnungsgeldbeschluss des SG Potsdam vom 31. Januar 2012 ist aufzuheben, denn das SG hätte kein Ordnungsgeld festsetzen dürfen.

Nach § 106 Abs 3 Nr 7 SGG kann der Vorsitzende das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zu einem Erörterungstermin anordnen. Nach § 111 Abs 1 Satz 2 SGG, der insoweit entsprechende Anwendung findet, ist auf die Folgen des Ausbleibens hinzuweisen. Diese bestimmen sich nach § 202 SGG in Verbindung mit § 141 Abs 3 der Zivilprozessordnung (ZPO). Danach kann gegen einen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet ist, der aber im Termin ausbleibt, ein Ordnungsgeld wie gegen einen nicht erschienenen Zeugen gemäß § 380 Abs 1 Satz 1 ZPO festgesetzt werden. Nach § 381 Abs 1 Satz 1 ZPO unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsgeldes, wenn sein Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt wird. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so unterbleibt nach Maßgabe des Satzes 2 die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass dem Beteiligten an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. Erfolgt die genügende Entschuldigung nachträglich, so werden die gegen den Beteiligten getroffenen Anordnungen nach § 381 Abs 1 Satz 3 ZPO wieder aufgehoben.

Ob die Festsetzung eines Ordnungsgeldes als Folge des Nichterscheinens eines Beteiligten trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens bereits auf der Tatbestandsebene nur in denjenigen Fällen in Betracht kommt, in denen die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Sachverhaltsaufklärung dient (so mit Hinweis auf § 141 Abs 1 Satz 1 ZPO LSG Berlin, Beschluss vom 10. Juni 2004 - L 3 B 14/04 U, zitiert nach juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02. August 1993 - L 3 B 62/93, zitiert nach juris; Knittel in Henning, SGG § 111 Rn 9; aA LSG Hamburg, 06. März 2006 - L 5 B 159/04 AL, zitiert nach juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 111 Rn 6a, Peters/Sautter/Wolff, SGG, 4. Aufl, § 111 Rn 74, Roller in Lüdtke, SGG, 3. Aufl, § 111 Rn 9), kann hier dahin stehen.

Jedenfalls war im vorliegenden Fall die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ermessensfehlerhaft. Ein auf § 141 Abs 3 ZPO gestütztes Ordnungsgeld kann im sozialgerichtlichen Verfahren nur festgesetzt werden, wenn das unentschuldigte Ausbleiben der Partei die Sachaufklärung erschwert und dadurch den Prozess verzögert, da Zweck des über § 202 SGG anwendbaren § 141 Abs 1 ZPO nicht ist, eine vermeintliche Missachtung des Gerichts zu ahnden, sondern die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern (Bundesgerichtshof ≪BGH≫ NJW-RR 2011, 1363; Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ NJW 1998, 892,893; Bundesarbeitsgericht ≪BAG≫ NJW 2008, 252; MünchKomm, ZPO, 3. Aufl, § 141 Rn 2).

Im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der Durchführung des Erörterungstermins ist der Vorsitzende nicht von der Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung ausgegangen. Vielmehr ergibt sich aus dem dokumentierten Hinweis des Vorsitzenden auf die mögliche Missbräuchlichk...

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