Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. Bedarfsgemeinschaft. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld

 

Orientierungssatz

1. Die Frage, inwieweit Einkommen und Vermögen innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft eingesetzt werden muss, ist ausschließlich und abschließend in § 9 Abs 2 S 1 und 2 SGB 2 geregelt.

2. Unter Eltern bzw Elternteil iS von § 9 Abs 2 S 2 SGB 2 sind nur die leiblichen Eltern zu verstehen. Ein (verschwägerter) Stiefvater ist in diesen Personenkreis gerade nicht einbezogen worden.

3. § 9 Abs 2 S 3 SGB 2 regelt nicht die Ermittlung eines Gesamtbedarfs der Bedarfsgemeinschaft, sondern die Verteilung der Leistungen auf die in der Gemeinschaft lebenden bedürftigen Personen.

4. Auch die Unterhaltsvermutung des § 9 Abs 5 SGB 2 greift nicht, wenn nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Verschwägerten keine Leistungen zu erwarten sind.

5. Kindergeld wird nach § 11 Abs 1 S 3 SGB 2 lediglich bei minderjährigen Kindern als Einkommen der Kinder berücksichtigt.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Mai 2005 wird geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern zu 3) und 4) für den Zeitraum vom 21. März 2005 bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 21. September 2005, jeweils 249,50 Euro monatlich zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu tragen. Den Antragstellern wird für das Verfahren vor dem Landessozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt T. S., , beigeordnet. Raten oder Beträge aus dem Vermögen sind nicht zu zahlen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Die Antragsteller zu 1) bis 4) leben in einem gemeinsamen Haushalt. Die Antragsteller zu 3) und 4) sind minderjährige Kinder der Antragstellerin zu 2), die am 28. Januar 2005 den Antragsteller zu 1) geheiratet hat. Zum Haushalt gehören noch eine volljährige Tochter der Antragstellerin zu 2) und eine weitere, von den Antragstellern als Untermieter bezeichnete Person.

Der Antragsteller zu 1) beantragte am 4. Februar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Er gab an, selbst Arbeitseinkommen zu erzielen, und legte eine Gehaltsabrechnung für Dezember 2004 vor, wonach von einem Bruttogehalt von 2.716,42 Euro 1.434,34 Euro netto ausgezahlt wurden. Abgezogen wurden neben Steuer, Sozialversicherung und Jobticket ein als "Pfändung" bezeichneter Betrag von 190,- Euro. Weiter gab der Antragsteller zu 1) an, dass Anspruch auf Kindergeld in Höhe von 462,- Euro bestehe. Die Antragstellerin zu 2) habe kein Einkommen, sie sei "ausgesteuert". Auch die Antragsteller zu 3) und 4) seien ohne Einkünfte und besuchten eine Schule. Ihr Vater zahle keinen Unterhalt. Die Antragsteller zu 2) bis 4) hätten bis Dezember 2004 Leistungen der Sozialhilfe erhalten. Die Kosten für Unterkunft und Heizung würden 765,- Euro monatlich betragen. Ein Antrag auf Wohngeld sei vom Bezirksamt mit Bescheid vom 22. Dezember 2003 abgelehnt worden.

Durch Bescheid vom 8. Februar 2005 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Der Antragsteller zu 1) sei nicht hilfebedürftig. Die aus den Antragstellern zu 1) bis 4) bestehende Bedarfsgemeinschaft habe in den rechnerisch für den Antragsmonat zu berücksichtigenden 26 Tagen einen Gesamtbedarf von 1.459,46 Euro gehabt. Diesem stehe ein Gesamteinkommen von 1.590,29 Euro gegenüber, das sich aus dem für denselben Zeitraum zu berücksichtigenden Erwerbseinkommen des Antragstellers zu 1) und dem Kindergeld zusammensetze.

Dagegen legte der Antragsteller zu 1) am 7. März 2005 Widerspruch ein. Es gehe um die Kinder, die nicht seine eigenen seien und für die er nicht zahlen werde. Er selbst wolle keine Leistungen. Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 12. April 2005). Die Antragsteller zu 1) bis 4) gehörten einer Bedarfsgemeinschaft an. Es sei davon auszugehen, dass die Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft zusammen wirtschafteten und füreinander einstünden. Deswegen würden Einkommen und Hilfebedarf für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gemeinsam ermittelt. Danach sei die Entscheidung nicht zu beanstanden.

Bereits am 21. März 2005 haben die Antragsteller zu 1) bis 4) bei dem Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet werden sollte, den Antragstellern zu 2) bis 4) laufende Leistungen zum Lebensunterhalt zu gewähren. Das Einkommen des Antragstellers zu 1) dürfe nicht dazu führen, die Bedürftigkeit der Antragsteller zu 2) bis 4) zu mindern. Die Antragsteller zu 3) und 4) seien Kinder aus einer vorherigen Ehe der Antragstellerin zu 2). Noch im Dezember 2004 seien an die Antragsteller zu 2) bis 4) Sozialhilfeleistungen in einer Gesamthöhe von 901,25 Euro ge...

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