Entscheidungsstichwort (Thema)

Kranken- und Pflegeversicherung. Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus einer als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die zum 1.1.2004 mit dem GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003 (BGBl I 2003, 2190) eingeführte Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung in der Kranken- und Pflegeversicherung (hier: aus einer im Jahr 1987 als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherung) gem § 229 Abs 1 S 3 SGB 5 idF vom 14.11.2003 verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

2. In der Kranken- und Pflegeversicherung darf die Kapitalleistung der Beitragserhebung zugrunde gelegt werden, weil sie eine der Rente vergleichbare Einnahme (§ 226 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 5) iS des § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 5 darstellt. Dabei ist es ohne rechtliche Bedeutung, ob der Arbeitnehmer eigene Prämienzahlungen erbracht hat. Wer die Auszahlung der Versorgungsbezüge finanziert hat, ist grundsätzlich unerheblich (vgl BSG vom 21.8.1997 - 12 RK 35/96 und vom 11.10.2001 - B 12 KR 4/00 R), maßgebend ist allein der erforderliche Zusammenhang mit der früheren Berufstätigkeit des Versicherten.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 06.09.2010; Aktenzeichen 1 BvR 739/08)

BSG (Urteil vom 12.12.2007; Aktenzeichen B 12 KR 6/06 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (Beitragspflicht der Kapitalzahlung aus einer Lebensversicherung) streitig.

Der 1941 geborene Kläger ist seit dem 01. April 2002 als Rentner versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Am 03. August 1987 vereinbarte er mit seinem Arbeitgeber den Abschluss einer Direktversicherung über ein Rahmenabkommen bei der A Lebensversicherungs-AG mit einem monatlichen Beitrag von DM 200,-, wobei Versicherungsnehmer die Firma R B GmbH, die auch die Beiträge für die Direktversicherung zahlte, Bezugsberechtigter aber der Kläger war. Seit dem 01. September 2001 finanzierte er die Versicherung selbst. Zum 01. September 2004 wurde ihm ein Betrag von 43.068,90 € ausgezahlt.

Daraufhin setzte die Beklagte mit Bescheid vom 07. September 2004 den Beitrag des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung mit der Begründung neu fest, die ausgezahlte Kapitalleistung sei zehn Jahre beitragspflichtig. Der Zehn-Jahres-Zeitraum beginne mit dem 1. des auf die Auszahlung des Kapitalbetrages folgenden Kalendermonats. Der monatliche anrechenbare Anteil betrage 358,91 € (43.068,90 € dividiert durch 120 Monate). Aus diesen Bezügen resultiere deswegen ab 01. Oktober 2004 ein Monatsbeitrag von 49,17 € zur gesetzlichen Krankenversicherung und von 6,10 € zur Pflegeversicherung, d. h. insgesamt 55,27 €.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, sein Arbeitsverhältnis habe entsprechend der vereinbarten Altersteilzeit bereits am 31. August 2001 geendet. Deswegen habe er bis zum Ablauf seines Versicherungsvertrages vom 31. August 2004 die Beiträge selbst entrichtet. Er habe im September 2001 einen Betrag von 9.470,30 DM (= 4.842,09 €) in die Lebensversicherung eingezahlt. Folglich handle es sich um keine Leistung der betrieblichen Altersvorsorge. Die Beitragsforderung verstoße überdies gegen das Verbot einer doppelten Beitragserhebung, da die Beiträge zur Lebensversicherung bereits aus seinem versteuerten und beitragspflichtigen Arbeitsentgelt abgeführt worden wären. Verfassungsrechtlich bedenklich sei auch die Anwendung des vollen Beitragssatzes. Hierin liege ein Verstoß gegen das Eigentumsrecht (Erhöhung vom halben auf den vollen Krankenversicherungsbeitrag) wie auch ein Eingriff in den Vertrauensschutz der Alterssicherung. Außerdem würden Rentner und Arbeitnehmer ungleich behandelt ebenso wie bei privater und betrieblicher Vorsorge.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2004 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Beitragspflicht bestehe unabhängig davon, wer die Beiträge für die Versorgungsbezüge gezahlt habe. Zu diesen zählten sämtliche Leistungen, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung erzielt worden wären, sofern sie unmittelbar oder mittelbar aus Anlass eines früheren Beschäftigungsverhältnisses zuflössen.

Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, es habe sich um eine rein private Altersversorgung gehandelt. Denn er habe ausschließlich selbst die Beiträge für die Lebensversicherung gezahlt. Der Arbeitgeber habe den Mitarbeitern nur die Möglichkeit zum Abschluss der Versicherung eröffnet und als Übermittler der Anträge gedient. Er sei auch schutzwürdig in seinem Vertrauen auf den Fortbestand der gesetzlichen Regelung, die zur Zeit des Abschlusses des Versicherungsvertrages gegolten habe. Durch die Neuregelung werde mangels einer Übergangsregelung in verfassungswidriger Weise rückwirkend in die finanzielle Altersvorsorge eingegriffen.

Mit Urteil vom 11. April 200...

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