Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Zuzahlung. Ermittlung der Belastungsgrenze. Kosten der Heimunterbringung. Vergütung der vom Pflegeheim erbrachten Pflegeleistung. Regelsatz für die Regelbedarfsstufe 1

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den "Kosten der Unterbringung in einem Heim" iSd § 62 Abs 2 S 5 Nr 2 SGB V zählt auch die Vergütung der vom Pflegeheim erbrachten Pflegeleistungen. Bei Versicherten, die in einem Pflegeheim leben und Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 bis 66a SGB XII erhalten, ist daher für die Ermittlung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen der Regelsatz für die Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII maßgeblich (vgl LSG Stuttgart vom 29.9.2022 - L 4 KR 2403/22 NZB).

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 02.08.2022 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der für das Jahr 2022 zu leistenden Zuzahlungen.

Die 1927 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin, die unter rechtlicher Betreuung ua für Behördenangelegenheiten steht, ist bei festgestelltem Pflegegrad in einem Pflegeheim untergebracht. Sie bezieht neben ihrer Altersrente und einer Witwenrente und nach Abzug der Leistungen der Pflegekasse Leistungen nach dem 7. Kapitel (Hilfe zur Pflege) des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) von der Stadt F - Amt für Soziales und Senioren.

Die Klägerin beantragte am 29.10.2021 auch für das Kalenderjahr 2022 die Befreiung von den Zuzahlungen und hier um die Mitteilung der Belastungsgrenze, um den Betrag vorab zahlen zu können. Mit Bescheid vom 09.12.2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Belastungsgrenze 1 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt betrage, hier 171,91 €. Die gewährten Leistungen nach dem 7. Kapitel des SGB XII seien keine Bruttoeinnahmen. Die Berechnung der Belastungsgrenze dürfe daher nicht nach dem (geringeren) Regelbedarf für die Sozialhilfe erfolgen.

Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und beantragte, die Zuzahlung auf 53,88 € zu beschränken. Nach § 62 Abs 2 Satz 5 Nr 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei bei Versicherten, bei denen die Kosten der Unterbringung in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung von einem Träger der Sozialhilfe oder der Kriegsopferfürsorge getragen würden, als Bruttoeinnahmen nur der Regelsatz für die Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches maßgeblich. Sie erhalte von der Stadt F Hilfe zur Pflege in einer stationären Einrichtung. Aus der Jahressumme des Regelbedarfes von 449 € monatlich und der 1 Prozent - Regelung errechne sich die Zuzahlung von 53,88 €.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie erläuterte darin die Berechnung des Betrages von 171,91 € ausgehend von den Renteneinkünften der Klägerin. Diese beziehe ausschließlich Leistungen nach dem 7. Kapitel des SGB XII. Die Belastungsgrenze werde für diese Leistungsbezieher nur dann nach dem Regelbedarf berechnet, wenn auch Leistungen nach dem 3. Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt) oder nach dem 4. Kapitel (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) bezogen würden. Verfüge der Betreffende aber über Einkommen, das den Anspruch hierauf ausschließe, berechne sich die Belastungsgrenze nach den bezogenen Einkünften. Der Barbetrag nach § 27b SGB XII werde von der Klägerin nicht als solcher bezogen, sondern nur bei der Bedarfsberechnung herangezogen. Die Leistungen der Hilfe zur Pflege seien wiederum von der Berücksichtigung als Bruttoeinnahmen ausgeschlossen, so dass auch die Unterbringung im Heim nichts an der Berechnung ändere.

Hiergegen hat die Klägerin am 13.05.2022 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Nach § 62 Abs 2 Satz 5 SGB V berechne sich die Belastungsgrenze nicht nur dann, wenn die betroffene Person Grundsicherung oder Hilfe zum Lebensunterhalt beziehe (Nr 1), sondern auch dann, wenn die Kosten der Unterbringung in einem Heim von der Sozialhilfe getragen würden (Nr 2), nach der Regelbedarfsstufe 1. Letzteres sei bei der Klägerin der Fall. Die beiden Fallgruppen seien nicht kumulativ, sondern alternativ zu verstehen. In den Verfahrensgrundsätzen zu § 62 SGB V, Seite 18 Beispiel 23 a) werde für einen vergleichbaren Fall der (anteiligen) Übernahme der Heimkosten durch das Sozialamt für die Berechnung der Belastungsgrenze ebenfalls auf den Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe abgestellt.

Die Beklagte hat auf die Begründung im Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzt, dass die Träger der Sozialhilfe für Leistungsberechtigte nach § 27b Abs 2 Satz 2 SGB XII die jeweils bis zur Belastungsgrenze zu leistenden Zuzahlungen als ergänzendes Darlehen übernähmen. Die Klägerin sei von dem Sozialhilfeträger aber nicht als Leistungsberechtigte nach dieser Vorschrift gemeldet worden.

Mit Urteil vom 02.08.2022 hat das SG der Klage stattgegeben. Die Belastungsgrenze bestimme sich hier nach dem ...

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