Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Verschuldenskosten gem § 192 Abs 4 SGG. Unterlassen erkennbarer und notwendiger Ermittlungen im Verwaltungsverfahren. Ausnahme

 

Leitsatz (amtlich)

Erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren sind im Sinne von § 192 Abs 4 SGG auch dann unterlassen worden, wenn die Behörde zwar den Ermittlungsbedarf erkannt und ein grundsätzlich hierfür geeignetes Beweismittel herangezogen hat, das hieraus resultierende Beweisergebnis jedoch einem gesetzlichen Beweisverwertungsverbot unterliegt.

Eine fehlende Erkennbarkeit der solchermaßen unterbliebenen verwertbaren Beweiserhebung ist in diesen Fällen nur dann anzunehmen, wenn die Behörde selbst unter Beachtung der erforderlichen Sorgfalt die Einhaltung der Verfahrensvorschriften nicht hat gewährleisten können oder sich auf eine vertretbare Rechtsauffassung für die Unbeachtlichkeit des Verfahrensverstoßes berufen kann.

 

Normenkette

SGG § 192 Abs. 4; SGB X §§ 20, 21 Abs. 1, 3, §§ 22, 76 Abs. 2, §§ 9, 118; SGB VII § 200 Abs. 2 HS 1; ZPO §§ 404, 407; StGB §§ 153-154

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 14. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Auferlegung von Gerichtskosten durch das Sozialgericht Mannheim (SG).

Zur Ermittlung der gesundheitlichen Folgen des landwirtschaftlichen Unfalls am 27.03.1998 des Versicherten Dr. G. erteilte die Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 29.09.2009 Professor Dr. Scha., Direktor des orthopädisch-unfallchirurgischen Zentrums des Universitätsklinikums M., den Auftrag zur Erstattung eines Gutachtens. Unter dem 20./23.11.2009 wurde der Beschwerdeführerin das Erste Rentengutachten vorgelegt, das vom Stellvertreter von Professor Dr. Scha., Direktor der Klinik für Unfallchirurgie Professor Dr. O., und Assistenzarzt Dr. C. unterzeichnet war. Mit dem an Professor Dr. O. gerichteten Schreiben vom 18.01.2010 bat die Beschwerdeführerin Professor Dr. O. um Ergänzung seiner Minderung der Erwerbsfähigkeit(MdE)-Einschätzung, da nach dem Gutachtensauftrag die MdE nicht erst ab 16.11.2009, sondern ab 08.05.1998 vorzunehmen sei. Im Schreiben vom 24.02.2010 gab Assistenzarzt Dr. C. die MdE-Einschätzung über den Zeitraum ab 08.05.1998 an. Die Beschwerdeführerin lehnte mit Bescheid vom 20.12.2010 die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der Versicherte legte gegen das Gutachten vom 20.11.2009 und gegen den hieraus resultierenden Bescheid Widerspruch ein (Schreiben vom 21.01.2011) und verlangte die Anberaumung eines neu zu erstellenden Gutachtens bei einem Spezialisten für Orthopädie, orthopädische Chirurgie und Neurologie. Der Widerspruchsausschuss der Beschwerdeführerin wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 08.04.2011).

Im sozialgerichtlichen Klageverfahren S 14 U 1665/11 erteilte das SG den richterlichen Hinweis vom 05.12.2011, wonach das Gutachten von Professor Dr. O. nach Überzeugung der Kammer nicht verwertbar sei, da gegen die Vorschriften des § 200 Siebentes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) und § 407a Zivilprozessordnung (ZPO) verstoßen worden sei. Das SG holte das orthopädische Gutachten von Dr. H. vom 21.02.2012 ein, dem die Verwaltungsakte der Beschwerdeführerin ohne das Gutachten von Professor Dr. O., das herausgenommen worden ist, vorgelegt worden war. Gestützt auf das Gutachten von Dr. H. wies das SG die Klage ab (Urteil vom 14.05.2013) und legte der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 14.05.2013 gerichtliche Ermittlungskosten in Höhe von 896,43 € auf. Die Vergütung des Sachverständigen Dr. H. sowie die durch die Begutachtung entstandenen Auslagen des Klägers seien nach § 192 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Beschwerdeführerin aufzuerlegen, denn aufgrund gravierender Verfahrensfehler könne das im Verwaltungsverfahren zutreffend für erforderlich gehaltene Gutachten nicht zur Grundlage der gerichtlichen Entscheidung gemacht werden.

Gegen den ihr mit Empfangsbekenntnis am 25.07.2013 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 05.08.2013 vor dem Landessozialgericht Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, im Begutachtungswesen der gesetzlichen Unfallversicherung sei es ein völlig normaler Vorgang, dass nicht der namentlich beauftragte Professor Dr. Scha., sondern dessen Stellvertreter Professor Dr. O. unter Mitwirkung des Assistenzarztes Dr. C. das Gutachten erstellt habe. Dies lasse keinerlei Beanstandung im Sinne von Verfahrensfehlern erkennen. Es habe kein ersichtlicher Grund bestanden, Professor Dr. O. nach der Beteiligung des Assistenzarztes C. zu befragen, nachdem das Gutachten von Professor Dr. O. unterschrieben worden war. Die ergänzende Stellungnahme zur MdE sei daher mit Sicherheit auch in Kenntnis von Professor Dr. O. erstellt worden. Der Versicherte/Kläger habe in seinem Widerspruchsschreiben auch keine Einwände gegen das Verfahren anlässlich seiner Begutachtung erhoben, sondern habe di...

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