Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung von vergütungsfreiem Einfühlungsverhältnis und vergütungspflichtigem Probearbeitsverhältnis. Vergütungsklage einer Tankstellenverkäuferin bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zur ausnahmsweisen Vereinbarung eines vergütungsfreien Einfühlungsarbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Vereinbarung eines "Einfühlungsverhältnisses" ohne Vergütungsanspruch und Arbeitspflicht der potentiellen Arbeitnehmerin ist aufgrund der Vertragsfreiheit grundsätzlich rechtens.

2. Ein Einfühlungsverhältnis ist ein ganz loses Rechtsverhältnis eigener Art, das sich von einem Arbeitsverhältnis (und insbesondere von dem Probearbeitsverhältnis) dadurch unterscheidet, dass die in den Betrieb aufgenommene potentielle Arbeitnehmerin während der Einfühlungsphase keine Pflichten übernimmt, insbesondere keine Arbeitspflicht hat, da sie nicht dem Direktions- oder Weisungsrecht der potentiellen Arbeitgeberin unterliegt sondern lediglich dem Hausrecht der Betriebsinhaberin untersteht; Zweck eines Einfühlungsverhältnisses ist es im Allgemeinen, die Voraussetzungen der Zusammenarbeit für das potentielle spätere Arbeitsverhältnis zu klären, also insbesondere der künftigen Arbeitnehmerin die Möglichkeit zu geben, die betrieblichen Gegebenheiten kennen zu lernen.

3. Für die tatsächlichen Voraussetzungen des lediglich in besonders gelagerten Fällen anzunehmenden Einfühlungsverhältnisses ist regelmäßig darlegungs- und beweispflichtig, wer sich auf diesen Sonderfall beruft; werden die Hauptleistungspflichten eines Arbeitsvertrags (Arbeitsleistung und Vergütung) schon konkretisiert, obliegt es der Anbietenden, ihren vom Regelfall des Arbeitsvertragsangebots abweichenden Willen des Angebots einer bloßen vergütungsfreien Kennenlernphase unzweideutig auszudrücken sowie ein solches Handeln (und damit die Ausnahme) darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.

4. Ein Probearbeitsverhältnis kann als zeit- oder zweckbefristetes Arbeitsverhältnis oder als vorgeschaltete Probezeit im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses vereinbart werden; der Erprobungszweck ist als sachlicher Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG anerkannt, wobei sich eine entsprechende Befristung eindeutig aus dem Vertrag ergeben und die Befristung schriftlich vereinbart werden muss (§ 14 Abs. 4 TzBfG).

5. Soweit nicht eine eindeutige Befristungsabrede getroffen wird, ist im Zweifel die Probezeit als Beginn eines Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit anzusehen; wird eine Arbeitnehmerin zur Probe angestellt, ist ohne gegenteilige Vereinbarung die Probezeit als Beginn eines Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit anzusehen.

6. Soll nicht nur die Bewerberin die Möglichkeit haben, den Betrieb der Arbeitgeberin kennenzulernen, sondern will die potentielle Arbeitgeberin auch testen, ob die Bewerberin ihren Erwartungen entspricht, ist Gegenstand der Vereinbarung die Erbringung von Arbeitsleistungen durch eine Arbeitnehmerin, insbesondere wenn diese Beschäftigung auch "Probearbeit" genannt wird.

7. Der Vergütungsanspruch geht gemäß § 115 SGB X nur in Höhe der Aufwendungen für Grundsicherungsleistungen über, die dem Leistungsträger gerade wegen des Verdienstausfalles entstanden sind.

 

Normenkette

BGB § 615; SGB II § § 11, 11 Abs. 1, § 11d, § 11d Abs. 2-3, §§ 33, 33 Abs. 5; SGB X § 115; BGB § 611 Abs. 1, § 615 S. 1; TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 12.03.2015; Aktenzeichen 2 Ca 1088/14)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Az.: 2 Ca 1088/14 - vom 12. März 2015, berichtigt durch Beschluss vom 4. Mai 2015, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht, sowie über Vergütungs- und Annahmeverzugslohnansprüche der Klägerin.

Die Beklagte ist Pächterin der zum Monatsende August 2014 neu eröffneten C. in der Z. Straße/Ecke Y. Straße in A-Stadt.

Die 1979 geborene Klägerin bewarb sich bei der Beklagten auf eine Anzeige im Wochenblatt vom 25. Juni 2014 (Bl. 34 d. A.). Daraufhin setzte sich die Beklagte mit der Klägerin in Verbindung und lud sie mit E-Mail vom 29. Juli 2014 (Bl. 8 d.A.) zu einem Treffen am 4. August 2014 ein. In dieser Mail heißt es:

"Hallo Frau A.,

anbei sende ich Ihnen wie besprochen die Anmelde Formulare zu. Bitte nehmen sie sich für Montag den, 04. August.2014 18.30 Uhr nichts vor.

Wir werden uns an diesem Tag zum erstenmal als C. Team zusammen setzen & Uns kennenlernen.

Treffpunkt:

Restaurant X.

W.-Straße

A-Stadt

Bringen Sie Bitte mit: Gesundheitszeugnis, aktu.

Polizeiführungszeugnis und die im Anhang gesendete Formular ausgefüllt an uns zurück.

Wir freuen uns jetzt schon auf Sie.

Mit freundlichen Grüßen

Familie V.

C.

Dateianhänge

- Personalbogen Festangestellte.pdf".

Mit E-Mail vom 6. August 2014 (Bl. 35 d. A.) wurde der Klägerin mitgeteilt:

"Sehr geehrte Frau A.,

wie mit Ihnen besprochen werde i...

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