0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist mit dem SGB I durch das Gesetz v. 11.12.1975 (BGBl. I S. 3015) mit Wirkung zum 1.1.1976 in Kraft getreten und seither nicht geändert worden.

1 Allgemeines

 

Rz. 1a

Die Vorschrift regelt in Abs. 1 den Verzicht auf die nach § 56 kraft Gesetzes eintretende Sonderrechtsnachfolge in laufende Geldleistungen und die eintretenden Folgen und enthält in Abs. 2 eine Haftungsregelung des Sonderrechtsnachfolgers für Verbindlichkeiten neben oder anstelle der Erben. Da die nach § 56 übergegangenen Ansprüche nicht in den erbrechtlichen Nachlass fallen und der Erblasser darüber auch nicht durch Testament oder Erbvertrag verfügen kann, finden §§ 1942 ff. BGB über die Ausschlagung der Erbschaft keine und §§ 1967 ff. BGB über die Erbenhaftung nur nachrangige Anwendung, so dass es für beide Fälle eigenständiger Regelungen für Sonderrechtsnachfolger bedurfte.

 

Rz. 1b

Die Regelung des § 57 Abs. 1 ist weitgehend dem Recht der Erbausschlagung nachgebildet, auch soweit es z.B. die Frist von 6 Wochen betrifft (§ 1944 Abs. 1 BGB). Sie stellt jedoch, trotz einiger inhaltlicher Übereinstimmungen, keine Sonderregelung zu § 46 dar (so aber: Thieme, in: Wannagat, SGB I, § 57 Rz. 1; W. Lilge in: Lilge, SGB I, § 57 Anm. 2; Seewald, in: KassKomm. SGB I, § 57 Rz. 3), da sie nicht an eigene Sozialleistungsansprüche sondern an den Übergang fremder Ansprüche als Sonderrechtsnachfolger anknüpft.

2 Rechtspraxis

2.1 Verzicht auf Sonderrechtsnachfolge (Abs. 1 Satz 1)

2.1.1 Verzichtserklärung (Abs. 1 Satz 1)

 

Rz. 2

Die Sonderrechtsnachfolge tritt kraft Gesetzes ein und bedarf keiner Annahmeerklärung. Zur Vermeidung der Sonderrechtsnachfolge ist daher der Verzicht darauf eingeräumt, was in der Wirkung der erbrechtlichen Ausschlagung (§§ 1942 ff. BGB) entspricht. Der Sonderrechtsnachfolger muss auf die Sonderrechtsnachfolge verzichten, will er diese ausschließen, um z.B. die daraus entstehende Haftung nach Abs. 2 zu vermeiden. Ein Verzicht kann jedoch auch in der Absicht der Begünstigung nach- oder gleichrangiger Sonderrechtsnachfolger erklärt werden.

 

Rz. 3

Die Erklärung des Verzichts ist nur innerhalb einer Frist von 6 Wochen möglich. Für den Fristbeginn ist nach § 26 SGB X auf die §§ 187 ff. BGB abzustellen. Die Frist beginnt mit der positiven Kenntnis vom Eintritt der Sonderrechtsnachfolge. Diese positive Kenntnis ist nicht schon mit der Kenntnis des Todes des Sozialleistungsberechtigten gegeben, sondern setzt darüber hinaus Kenntnis vom Bestehen eines Zahlungsanspruchs auf laufende Geldleistungen und der eigenen Berechtigung als Sonderrechtsnachfolger voraus. Die Kenntnis aller dieser Voraussetzungen wird daher wohl erst bei einer entsprechenden Mitteilung des Sozialleistungsträgers gegeben sein (so auch: Wagner, in: jurisPK-SGB I, § 57 Rz. 9; Giese, in: Giese/Krahmer, SGB I, § 57 Rz. 2 unter Hinweis auf § 14). Die dürfte erst recht gelten, wenn in der Rangfolge der Sonderrechtsnachfolge nach § 56 Abs. 1 noch vorrangige Personen vorhanden sind oder die Sonderrechtnachfolge erst in Folge des Verzichts eines vorrangigen Sonderrechtsnachfolgers eintritt.

 

Rz. 4

Die Frist endet nach den allgemeinen Vorschriften des BGB (§§ 186 ff. BGB, vgl. § 26 SGB X), also mit Ablauf des entsprechenden Wochentages der 6. Woche nach Erlangen der Kenntnis, es sei denn, das Ende der Frist fiele danach auf einen Samstag, Sonntag oder allgemeinen Feiertag. Bis zum Ablauf dieses Tages muss die Verzichtserklärung dem Sozialleistungsträger zugegangen sein.

 

Rz. 5

Die Frist ist eine Ausschlussfrist, eine Wiedereinsetzung ist daher nicht möglich (§ 27 Abs. 5 SGB X). Da die Regelung erkennbar der Erbausschlagung (§ 1944 BGB) nachgebildet ist, eine Irrtumsanfechtung gemäß § 1956 BGB jedoch für die unterlassene Verzichtserklärung nicht ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist, besteht keine Möglichkeit, die schuldlose Fristversäumnis zu heilen. Eine Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB wird zwar für möglich gehalten, könnte praktisch aber allenfalls bei einem erklärten Verzicht in Betracht kommen. Die Anfechtung kann nicht auf die Unkenntnis der eintretenden Haftung gestützt werden, da es sich dabei um einen Rechtsfolgenirrtum handelt, der nicht zur Anfechtung berechtigt. Das Fehlen eines Anfechtungsrechts bei Fristversäumnis ist auch deshalb nicht bedenklich, weil die Haftung auf den übergegangenen Anspruch begrenzt ist und deshalb, anders als im Erbrecht, keine unbegrenzte Haftung eintritt.

 

Rz. 6

Die Erklärung des Verzichts bedarf der Schriftform, wozu auch die eigenhändige Unterschrift gehört (§ 126 BGB). Die Schriftform kann durch die elektronische Form der Erklärung ersetzt werden, wenn diese mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist (vgl. § 36a und Komm. dort). Auch die Erklärung zur Niederschrift ist möglich. Sie ist gegenüber dem zuständigen Leistungsträger abzugeben, gegen den der verstorbene Sozialleistungsberechtigte einen noch zu erfüllenden Anspruch hatte. Demzufolge wirkt der Verzicht auch nur gegenüber diesem Träger. Bestehen mehrere Ansprüche gegen verschiedene Sozialleistungsträger aufgrund der Sonderrechtsnachfolge, ist der Verzicht jedem der Sozialleistungsträger g...

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