Rz. 2

Der Vorbehalt des Gesetzes besagt als allgemeiner Grundsatz des Rechtsstaates, dass die Rechtsposition des Einzelnen durch die Gesetze bestimmt wird und werden muss. Dieser Grundsatz dient in erster Linie der Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen dem Gesetzgeber und der Verwaltung als der gesetzesvollziehenden Behörde.

 

Rz. 3

Für den Bereich der eingreifenden – Pflichten und Lasten auferlegenden – Verwaltungstätigkeit ergibt sich dieser Grundsatz des Vorbehaltes eines Gesetzes bereits aus Art. 20 Abs. 3 GG, so dass § 31 insoweit nur klarstellende Bedeutung hat (BT-Drs. 7/868 S. 27).

 

Rz. 4

Für den Bereich der leistenden – Vorteile und Begünstigungen einräumenden – Verwaltungstätigkeit war die Geltung des Vorbehalts des Gesetzes i. S. d. Zuständigkeit des Gesetzgebers für die Festlegung bestimmter Gegenstände umstritten. Indem § 31 diesen Gesetzesvorbehalt nunmehr ausdrücklich auch auf "die im SGB geregelten Begünstigungen" (BT-Drs. 7/868 S. 27) erstreckt, stellte dies eine spezialgesetzliche ausdrückliche Regelung dar, die erst später vom BVerfG als auch allgemeingültiger Grundsatz des Verfassungsrechts angesehen wurde.

 

Rz. 5

Der totale Gesetzesvorbehalt ist im Zusammenhang mit § 2 Abs. 1 Satz 2 zu sehen, der Einzelansprüche aus den allgemein formulierten sozialen Rechten (§§ 3 bis 10) von den gesetzlichen Voraussetzungen der besonderen Teile abhängig macht und daher ein einschränkendes Korrektiv i. S. eines Verbots übergesetzlicher Leistungsgewährung an die Verwaltung darstellt. Auch wenn diese besonderen Teile die einzelnen Ansprüche regeln und von besonderen Voraussetzungen abhängig machen und dem Einzelnen nur in diesem Rahmen durchsetzbare Rechte zustehen, schließt dies nicht notwendig die Begrenzung auf diese Ansprüche ein. Diese Begrenzung wird erst durch § 31 herbeigeführt.

 

Rz. 6

Letztlich wird mit dem Vorbehalt des Gesetzes jedoch auch eine Grenze für die Auslegung der Vorschriften des SGB (vgl. § 2 Abs. 2 und Komm. dort) für Verwaltung und Gerichte gezogen. Das schließt aber nicht aus, dass die Rechtsprechung zur Lückenfüllung und Rechtsfortbildung auf nicht dem SGB zugehörige Gesetze oder Rechtsgrundsätze zurückgreifen kann. Problematisch erscheint dabei jedoch in Bezug auf § 31 der Rückgriff auf zivilrechtliche Grundsätze (Treu und Glauben oder Verwirkung), um über §§ 25, 76 SGB IV und § 44 hinaus Beitragspflichten zu verneinen oder zu begrenzen, denn eine allgemeine Verfügungsbefugnis über Ansprüche steht den Sozialleistungsträgern nach § 31 gerade nicht zu. Dem Vorbehalt des Gesetzes entspricht es, den (zum Ausgleich nachteiliger Folgen bei fehlerhafter Beratung) von der Rechtsprechung entwickelten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auf rechtlich zulässige Leistungen (BSG, Urteil v. 25.1.1994, 7 RAr 50/93, SozR 3-4100 § 249e Nr. 4 = Breithaupt 1994 S. 965) oder nur die Herstellung eines auch rechtlich möglichen oder zulässigen Status zu beschränken (BSG, Urteil v. 28.9.2010, B 1 KR 31/09 R, BSGE 106 S. 296 = NZS 2011 S. 559).

 

Rz. 7

Der Gesetzesvorbehalt wird zum Teil in den besonderen Büchern bereichsspezifisch wiederholt. So begrenzt § 30 Abs. 1 SGB IV (vgl. Komm. dort) für die Sozialversicherungsträger die Mittelverwendung auf die ihnen übertragenen Aufgaben. § 194 Abs. 2 SGB V (vgl. Komm. dort) begrenzt die Satzungskompetenz der Krankenkassen für Satzungsleistungen auf ausdrücklich als solche zugelassene und den Aufgaben der Krankenversicherung nicht widersprechende Leistungen. Daher dürfen Krankenkassen gesetzliche vorgesehene oder vorgeschriebene Leistungen in der Satzung allenfalls in der Form einer wörtlichen Wiedergabe des Gesetzestextes zitiert werden, um auch nur den Anschein weitergehender Leistungen zu vermeiden (BSG, Urteil v. 24.4.2002, B 7/1 A 4/00 R, BSGE 89 S. 227 = NZS 2003 S. 374 = SozR 3-2500 § 194 Nr. 1 = ZfS 2002 S. 240). Soweit eine Satzungsermächtigung besteht, kann davon nur im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht werden (vgl. BSG, Urteil v. 18.11.2014, B 1 A 1/14 R, NJW 2015 S. 1903).

 

Rz. 7a

Als gesetzlicher Vorbehalt, auch wenn dies nicht unter dem Aspekt des § 31 diskutiert wird, hat sich die Rechtsprechung des BSG zur Bedeutung des Leistungserbringungsrecht auf die Ansprüche der Krankenversicherten und deren Ansprüche erwiesen. Nach dieser Rechtsprechung (vgl. z. B. BSG, Urteil v. 16.9.1997, 1 RK 14/96, ZfS 1998 S. 211; BSG, Urteil v. 16.9.1997, 1 RK 28/95, SozR 3-2500 § 135 Nr. 4) wirken Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern sowie Richtlinien des (jetzt:) Gemeinsamen Bundesausschusses (§ 91 SGB V) über Verfahren, Voraussetzungen und Umfang der ärztlichen Versorgung auf den Leistungsanspruch der Krankenversicherten nach dem SGB V dergestalt ein, dass dadurch zugleich auch deren Leistungsanspruch begrenzt wird. Insoweit haben die Verträge und Richtlinien die Qualität untergesetzlicher leistungsbegrenzende Rechtsnormen, was wegen vermeintlich fehlender Legitimation zur Kritik geführt hat (vgl. z. B. Schimmelpfeng-Schütte, NZS 1999...

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