Rz. 8

Nach § 10 haben Menschen, die körperlich, geistig oder seelisch behindert sind oder denen eine solche Behinderung droht, unabhängig von der Ursache der Behinderung zur Förderung ihrer Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe ein Recht auf Hilfe, die notwendig ist, um

  1. die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
  2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug von Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
  3. einen den Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern,
  4. ihre Entwicklung zu fördern und ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und eine möglichst selbstständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern sowie
  5. Benachteiligungen aufgrund der Behinderung entgegenzuwirken.

Die rehabilitationsträgerübergreifenden Teilhabeleistungen sollen die (noch) bestehenden gesundheitlichen Barrieren bei der Selbstversorgung und im schulischen/beruflichen sowie gesellschaftlichen Bereich mindern bzw. ganz beseitigen. Dabei versuchen die Hilfen, die negativen Folgen von Funktionsstörungen und Beeinträchtigungen in Bezug auf die Teilhabe/Partizipation zu minimieren bzw. zu beseitigen.

 

Rz. 9

Medizinische Rehabilitationsleistungen werden immer dann notwendig, wenn die Akutversorgung abgeschlossen ist und weiterhin nicht nur vorübergehende Barrieren in Form von Beeinträchtigungen/Fähigkeitsstörungen/Aktivitätseinbußen vorliegen, die nur durch medizinisch ganzheitliche Therapien beseitigt bzw. vermindert werden können. Von ganzheitlichen Therapien spricht man immer dann, wenn die "Behandlung/Betreuung" des Patienten nicht nur auf ein Körperorgan zentriert wird und nur durch das Zusammenspiel von unterschiedlichen Heilberufen/Professionen (Masseure, Krankengymnasten, Psychologen, Logopäden usw.) ein Höchstmaß an Erfolg erreicht werden kann. In der Regel muss der Patient dann etwas erlernen (z. B. sich nach einem Schlaganfall trotz Halbseitenlähmung fortzubewegen, zu essen usw.) bzw. sein zukünftiges Verhalten umstellen (z. B. bei Abhängigkeitserkrankungen).

 

Rz. 10

Für die Frage der Bewilligung von Rehabilitationsleistungen sind entscheidend

  • die Rehabilitationsbedürftigkeit des Patienten; Rehabilitationsbedürftigkeit besteht, wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung

    • voraussichtlich nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivität vorliegen, durch die eine Beeinträchtigung der Teilhabe droht oder bereits besteht und
    • über die kurative Versorgung hinaus der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz der medizinischen Rehabilitation erforderlich ist.

    Zu den Beeinträchtigungen der Teilhabe gehört auch das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit (vgl. § 8 Satz 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation – Rehabilitations-Richtlinie).

    In Abgrenzung zur Krankenbehandlung liegt Rehabilitationsbedürftigkeit vor, wenn im Einzelfall die Krankenbehandlung nach §§ 27 ff. SGB V nicht ausreicht, um den Folgen einer Erkrankung etc. – nämlich die Behinderung mit negativen Folgen bezogen auf die Teilhabe/Partizipation oder die Pflegebedürftigkeit – wirksam zu begegnen (vgl. BSG, Urteil v. 17.2.2010, B 1 KR 23/09 R); steht fest, dass die Krankenbehandlung das gewünschte gesundheitliche Ziel nicht erreicht, müssen nicht erst alle Möglichkeiten der Krankenbehandlung ausgeschöpft werden, bevor Leistungen zur medizinischen Rehabilitation einzuleiten sind. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der zügigen Einleitung von Rehabilitations- bzw. Teilhabeleistungen.

  • die Rehabilitationsfähigkeit des Patienten (bezieht sich vorwiegend auf die somatische und psychische Verfassung des Rehabilitanden und die damit verbundene Frage, ob er überhaupt in der Lage ist, an Rehabilitationsleistungen aktiv teilzunehmen; dabei spielt neben der notwendigen Belastbarkeit die Motivation oder Motivierbarkeit eine wichtige Rolle; vgl. auch § 9 der Rehabilitations-Richtlinie);
  • eine positive Rehabilitationsprognose in Bezug auf die vorher definierten Rehabilitations-/Teilhabeziele; diese positive Rehabilitationsprognose liegt nicht vor, wenn der Rehabilitand auf der Basis der Erkrankung/Behinderung, des bisherigen Verlaufs, des Kompensationspotenzials oder der Rückbildungsfähigkeit unter Beachtung und Förderung individueller positiver Kontextfaktoren voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, bei Beendigung der Maßnahmen die geplanten Reha-/Teilhabeziele zu erreichen;
  • die Zumutbarkeit der Rehabilitations-/Teilhabeleistung für den Leistungsberechtigten (Grenzen der Mitwirkung, vgl. § 65; entscheidend ist z. B. die Frage, ob einer alleinerziehenden Mutter mit 2 kleinen Kindern eine mehrmonatige Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zuzumuten ist, wenn sie aufgrund der räumlichen Entfernung nicht t...

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