Rz. 5

"Soziale Schwierigkeiten" liegen nach § 1 Abs. 3 DVO vor, wenn ein Leben in der Gemeinschaft durch ausgrenzendes Verhalten des Hilfesuchenden oder eines Dritten wesentlich eingeschränkt ist, insbesondere im Zusammenhang mit der Erhaltung oder Beschaffung einer Wohnung, mit der Erlangung oder der Sicherung eines Arbeitsplatzes, mit familiären oder anderen sozialen Beziehungen oder mit Straffälligkeit. Wie der Begriff "insbesondere" zeigt, ist diese Aufzählung nicht abschließend. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 Satz 1 ist ein Zusammenhang von besonderen Lebensverhältnissen und sozialen Schwierigkeiten ausreichend. Eine eindeutige kausale Zuordnung ist nicht erforderlich (OVG Schleswig-Holstein, Urteil v. 7.8.2002, 2 L 70/07; Bieback, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 67 Rz. 4).

 

Rz. 6

Das BSG hat in seinem Urteil v. 12.12.2013 (B 8 SO 24/12) entschieden, dass es sich bei den „sozialen Schwierigkeiten nicht in erster Linie um wirtschaftliche Schwierigkeiten handelt, sondern um die Beeinträchtigung der Interaktion mit dem sozialen Umfeld und damit um die Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Es muss sich demnach um soziale Schwierigkeiten handeln, die typischerweise mit besonderen Lebensverhältnissen einhergehen und die über solche sozialen Schwierigkeiten hinausgehen, die bereits für die Inanspruchnahme anderer Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII vorausgesetzt werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 14.1.2015, L 20 SO 503/14 B ER). Daher liegen soziale Schwierigkeiten dann vor, wenn das Verhalten des Hilfesuchenden oder eines Dritten einer Integration in die Gemeinschaft entgegensteht oder wesentlich erschwert. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass anspruchsberechtigt gemäß § 67 nur Personen sein können, denen in besonderen Lebensverhältnissen unmittelbar gravierende soziale Schwierigkeiten drohen, die über das Maß der allgemeinen sozialen Schwierigkeiten hinausgehen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 4.5.2010, L 23 SO 46/10 B ER; Bieback, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 67 Rz. 17). Damit genügen familiäre oder partnerschaftliche Probleme alleine nicht, um diese Tatbestandsvoraussetzung zu erfüllen. Vielmehr müssen Umstände hinzukommen, die dazu führen, dass beim Hilfesuchenden eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt, die auf Dauer eine Ausgrenzung aus der Gemeinschaft erwarten lässt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 12.5.2011, L 9 SO 105/10).

 

Rz. 7

Nach dem genannten Urteil des BSG gehört der drohende Wohnungsverlust nach der Haftentlassung im Grundsatz zu den "besonderen Lebensumständen mit sozialen Schwierigkeiten" i. S. d. § 67 (ebenso u. a. Bay. LSG, Beschluss v. 22.8.2014, L 8 SO 117/14 B ER), weil der Verlust der Wohnung ähnlich dem Verlust des Arbeitsplatzes für einen Haftentlassenen deutlich schwerer zu kompensieren ist als für andere Bürger, selbst dann, wenn der aus der Haft Entlassene nicht auf existenzsichernde Leistungen angewiesen ist. Hierbei genügt es zur Erfüllung der Voraussetzungen, wenn der konkrete Bedarf erst zukünftig entsteht, denn nach § 15 können auch vorbeugende Sozialhilfeleistungen beansprucht werden. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift, die nicht zu Leistungen eigener Art berechtige, sondern rechtlich im Zusammenhang mit der jeweiligen Hilfeart stehe, soll, so das BSG, die Sozialhilfe vorbeugend gewährt werden, wenn prognostisch dadurch eine dem Einzelnen drohende Notlage ganz oder teilweise abgewendet werden könne (vgl. BVerwG, Entscheidung v. 18.10.1990, 5 C 51/86). Auch im Rahmen des § 67 sei der Träger der Sozialhilfe ermächtigt und verpflichtet zu prüfen, ob der Zweck dieser Art von Sozialhilfe (Vermeidung von Wohnungslosigkeit bei Haftentlassung) nicht dadurch besser erreicht werden könne, dass die danach in Betracht kommenden Leistungen bereits vor Eintritt der Notlage gewährt werden.

In der Rechtsprechung sind daneben noch unter anderem in folgenden Fällen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten anerkannt worden:

Bei Entlassung aus langjähriger Sicherungsverwahrung und einer damit einher gegangenen "seelischen Anpassung", wenn der Hilfesuchende erst wieder lernen muss, Beziehungen unter den Bedingungen der Freiheit einzugehen (Hess. LSG, Beschluss v. 2.8.2012, L 4 SO 86/12 B ER). Bei sozialem Rückzug und Problemen im Umgang mit Geld (SG Stuttgart, Beschluss v. 23.6.2006, S 20 SO 4090/06 ER), jahrelanger Alkoholabhängigkeit bei einem Zustand der Bindungslosigkeit und Isolation und der Tendenz, vor den Schwierigkeiten die Augen zu verschließen (VG Hamburg, Urteil v. 10.4.2006, 13 K 4534/02) sowie bei aggressivem Verhalten, Angstzuständen, Wahnvorstellungen und Halluzinationen aufgrund exzessivem Drogen- oder Alkoholmissbrauch (SG Mannheim, Beschluss v. 15.1.2007, S 1 SO 3948/06 ER).

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