0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift trat als Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) am 1.1.2005 (Art. 70 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft und wurde seither nicht geändert.

Zum Bedeutungsgehalt der Vorschriften der Hilfen zur Gesundheit nach dem Fünften Kapitel allgemein vgl. die Kommentierung zu § 48.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Inhaltlich hat § 49 die Vorschrift des § 36 BSHG in das Recht des SGB XII übertragen. § 36 BSHG hatte seinerseits seit dem 1.7.2001 § 37b BSHG inhaltsgleich ersetzt. § 49 enthält gegenüber § 36 BSHG ebenfalls keine inhaltliche Änderung (BT-Drs. 15/1514 S. 62 zu § 42). Die abweichende Formulierung in § 49 ("gewährt") im Vergleich zu § 36 BSHG ("geleistet") stellt lediglich eine Anpassung an den allgemeinen Sprachgebrauch im SGB dar (vgl. BT-Drs. 15/1514 S. 53 Nr. 5).

§ 24a SGB V enthält eine Parallelregelung für die gesetzliche Krankenversicherung (zu Abweichungen vgl. Rz. 8). Zur Auslegung können daher im Wesentlichen die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB V herangezogen werden.

 

Rz. 3

Ebenso wie bei § 24a SGB V ist es vorrangiges Ziel der Vorschrift, unerwünschte Schwangerschaften durch rechtzeitige und sachgerechte Empfängnisverhütung zu vermeiden. Da Satz 1 von Empfängnisregelung und nicht nur von Empfängnisverhütung spricht, kommen insofern auch Leistungen zur Anbahnung einer Schwangerschaft in Betracht (Rz. 6).

2 Rechtspraxis

2.1 Leistungsberechtigung

 

Rz. 4

Die Vorschrift gewährt den Berechtigten einen gebundenen Leistungsanspruch. Spezielle Leistungsvoraussetzungen sind nicht zu erfüllen. Zu beachten ist jedoch, dass die ärztliche Verordnung im Rahmen von Satz 2 nicht nachträglich beigebracht werden kann (BVerwG, Urteil v. 19.5.1994, 5 C 20/91 bzw. 5 C 5/92). Insofern stellt die vorherige ärztliche Verordnung faktisch eine Leistungsvoraussetzung dar. Eine Ausnahme gilt nur für den Bezug von nicht verschreibungspflichtigen Notfallkontrazeptiva, bei denen eine nachträgliche ärztliche Verordnung zwar erforderlich aber auch ausreichend ist (vgl. § 24a Abs. 2 Satz 2 SGB V sowie Flint, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 49 Rz. 9).

 

Rz. 5

Die Leistungsberechtigung ist nicht abhängig von Alter, Geschlecht oder Familienstand. Selbst eine gefestigte Partnerschaft wird nicht vorausgesetzt (VG Stade, Urteil v. 19.3.1986, 2 A 228/84). Bei Minderjährigen ist jedoch § 36 SGB I zu berücksichtigen.

2.2 Leistungsinhalt

 

Rz. 6

Das Gesetz sieht als Hilfen zur Familienplanung folgende Leistungen vor: ärztliche Beratung und Untersuchung, Verordnung empfängnisregelnder Mittel (Satz 1) sowie die Übernahme von Kosten für empfängnisverhütende Mittel (Satz 2).

Der Leistungsumfang entspricht damit inhaltlich grundsätzlich dem in § 24a Abs. 1 SGB V (zu Unterschieden vgl. Rz. 8). Aus der unterschiedlichen Wortwahl in Satz 1 und Satz 2 ergibt sich, dass Mittel oder Maßnahmen zur Anbahnung einer Schwangerschaft zwar im Rahmen von § 49 verordnet werden können, die Übernahme der Kosten für solche Leistungen, die nicht in einer Beratung oder Untersuchung bestehen, kann aber nur nach anderen Vorschriften (z. B. § 48) erfolgen. Maßnahmen der künstlichen Befruchtung sind ebenfalls nicht von § 49 Satz 1 erfasst, weil diese auch im Bereich des SGB V nicht unter § 24a SGB V fallen, sondern als Sonderfall der Krankenbehandlung in § 27a SGB V geregelt sind (so auch Flint, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 49 Rz. 6; Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 31. Erg.-Lfg. V/13, K § 49 Rz. 6 m. w. N.).

Die Leistungserbringung erfolgt im Rahmen von § 52; es gilt also insbesondere die beschränkte ärztliche Wahlfreiheit nach § 52 Abs. 2.

 

Rz. 7

Satz 1 umfasst nur die konkrete ärztliche Beratung, aber nicht die allgemeine Sexualaufklärung.

 

Rz. 8

Inhaltlich besteht im Wesentlichen Kongruenz zwischen § 24a SGB V und § 49 (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 20.7.2010, L 9 SO 39/08; nachgehend BSG, Urteil v. 15.11.2012, B 8 SO 6/11 R Rz. 15 ff.; Flint, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 49 Rz. 1, 8 m. w. N.; Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 31. Erg.-Lfg. V/13, K § 49 Rz. 9 mit ausführlichen Nachweisen; und im Ergebnis auchSöhngen, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 49 Rz. 13; krit. Böttiger, Sozialrecht aktuell 2008 S. 203; a. A. SG Duisburg, Urteil v. 9.9.2008, S 7 SO 10/07). Hilfe zur Familienplanung und damit insbesondere ein Anspruch auf Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln kommt daher regelmäßig nach Vollendung des 20. Lebensjahres nicht mehr in Betracht, sondern wie bei § 24a SGB V darüber hinaus nur, wenn eine zwingende anderweitige medizinische Indikation vorliegt (vgl. die Komm. zu § 24a). Nach der Rechtsauffassung des BSG (a. a. O. Rz. 18 m. w. N.) ergibt sich dies aus der Änderung des § 38 Abs. 1 Satz 1 BSHG (heute: § 52 Abs. 1 Satz 1) zum 1.1.2004, der sich entnehmen lasse, dass die Übernahme finanzieller Eigenleistungen durch den Sozialhilfeträger auf Grundlage der §§ 47 bis 51 ausgeschlossen sei. Für das Verständnis des BSG spricht auch der Umst...

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