0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Auf die Erläuterungen zur Rechtsentwicklung des Achten Kapitels unter Nr. 1 zu § 90 wird zunächst verwiesen. Zur Kostentragung nach altem Recht waren verpflichtet der Minderjährige und seine Eltern nach § 81 Abs. 1 JWG sowie der junge Volljährige nach §§ 80 f. i. V. m. § 6 Abs. 3 und § 75a Abs. 2 JWG.

§ 91 wurde erstmals mit Wirkung v. 1.4.1993 durch Art. 1 des 1. SGB VIII-ÄndG v. 16.2.1993 (BGBl. I S. 239) neu gefasst. Durch Art. 3 § 55 des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften v. 16.2.2001 (BGBl. I S. 266) wurde die Kostenbeteiligungspflicht auf den Lebenspartner erweitert. Mit Art. 1 Nr. 49 KICK v. 8.9.2005 (BGBl. I. S. 2729) wurde § 91 völlig neu gefasst (siehe auch Vorbemerkung zum Ersten und Zweiten Abschnitt des Achten Kapitels) und die Kostenbeitragspflicht insbesondere zur Entlastung der Kommunen als Träger der öffentlichen Jugendhilfe gegenüber dem früheren Recht wesentlich erweitert. Im Zuge des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder– und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurde die Regelung unverändert beibehalten.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Abs. 1 und 2 des § 91 bestimmen den Katalog derjenigen Leistungen und Maßnahmen, bei denen der Kostenpflichtige zu den Kosten durch die Erhebung eines Kostenbeitrages herangezogen werden kann. Der Katalog ist abschließend. Abs. 1 legt den Katalog der vollstationären Leistungen und vorläufigen Maßnahmen fest, während in Abs. 2 die teilstationären Leistungen behandelt werden. Ferner legt die Vorschrift den Umfang der Kosten fest, für den eine Heranziehung erfolgen kann (Abs. 3 und 4). Schließlich bestimmt Abs. 5, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe generell die Kosten der Leistungen nach Abs. 1 und 2 unabhängig von der Erhebung eines Kostenbeitrages tragen. Diese Vorleistungspflicht des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe war bisher in § 92 a. F. geregelt und erstreckte sich nicht auf alle Leistungen. Die neue Regelung dient damit insgesamt der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens und der -praxis.

 

Rz. 3

§ 91 regelt nicht den Personenkreis, der der Heranziehung unterliegt, und das Verfahren der Heranziehung, dies bestimmt sich nach § 92. Danach erfolgt die Heranziehung dergestalt, dass der zu erhebende Kostenbeitrag durch Leistungsbescheid gegenüber dem Kostenschuldner festgesetzt wird (§ 92 Abs. 2).

2 Rechtspraxis

2.1 Katalog der Leistungen und Aufgaben, die der Erhebung eines Kostenbeitrags unterliegen

2.1.1 Vollstationäre Leistungen und vorläufige Maßnahmen

 

Rz. 4

Zu folgenden vollstationären Leistungen und vorläufigen Maßnahmen der Jugendhilfe werden nach Abs. 1 Kostenbeiträge erhoben:

  • nach Nr. 1:

    Kosten der Unterkunft eines Kindes oder Jugendlichen in einer sozialpädagogisch begleiteten Wohnform (§ 13 Abs. 3) während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung;

  • nach Nr. 2:

    Kosten der Betreuung von Müttern oder Vätern und Kindern in gemeinsamen Wohnformen (§ 19). Dieses Angebot der Jugendhilfe, bei der Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter 6 Jahren zu sorgen haben, in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie aufgrund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen, wurde durch Art. 1 Nr. 49 KICK in den Katalog aufgenommen;

  • nach Nr. 3:

    Kosten der Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen (§ 20), d. h. in den Fällen, in denen entweder ein Elternteil oder beide Elternteile aus gesundheitlichen oder anderen zwingenden Gründen die überwiegende Betreuung des Kindes nicht wahrnehmen kann oder können;

  • nach Nr. 4:

    Kosten der Unterstützung bei notwendiger Unterbringung des Kindes oder des Jugendlichen zur Erfüllung der Schulpflicht (§ 21) in den Fällen, in denen Personensorgeberechtigte wegen des mit ihrer Tätigkeit verbundenen ständigen Ortswechsels die Erfüllung der Schulpflicht nicht sicherstellen können;

  • nach Nr. 5:

    Kosten für die Hilfen zur Erziehung außerhalb der Familie in den verschiedenen stationären oder teilstationären Leistungsformen nach §§ 33 bis 35a und die Hilfe zur Erziehung (§ 27) in stationärer Form; Letztere war bisher von der Kostenbeitragspflicht ausgenommen;

  • nach Nr. 6:

    Kosten der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche in Einrichtungen über Tag und Nacht, sonstigen Wohnformen sowie durch geeignete Pflegepersonen (§ 35a Abs. 2 Nr. 3 und 4);

  • nach Nr. 7:

    Kosten der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42), entweder auf dessen Wunsch (§ 42 Abs. 1 Nr. 1) oder bei einer dringenden Gefahr für das Wohl des Kindes oder Jugendlichen (§ 42 Abs. 1 Nr. 2) oder bei der Ankunft von unbegleiteten ausländischen Kindern in Deutschland ohne Personensorge- oder Erziehungsberechtigte im Inland (§ 42 Abs. 1 Nr. 3);

  • nach Nr. 8:

    Kosten der Hilfe für junge Volljährige, soweit sie den in Nr. 5 und 6 genannten Leistungen entspricht.

Wegen des Eingriffscharakters der Maßnahme nach Nr. 7 kommt es für die Heranziehung zu den Kosten nicht darauf an, ob der Personensorgeberechtigte oder die Personensorgeberechtigten (Eltern) mit der Maßnahme ...

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