0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 36a ist derzeit i. d. F. der Bekanntmachung des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) seit 10.6.2021 in Kraft.

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz – KICK) passierte zunächst am 8.7.2005 eine umfassende Änderung des SGB VIII den Bundesrat (BGBl. I S. 2729). Mit Art. 1 Nr. 15 fügte der Gesetzgeber einen neuen § 36a in das SGB VIII ein, der überschrieben ist mit dem Titel "Steuerungsverantwortung, Selbstbeschaffung". Mit der neuen Fassung hat der Gesetzgeber die alte Fassung des § 36a i. d. F. v. 8.9.2005, gültig ab 1.10.2005, gültig bis 31.12.2006, unverändert übernommen. Die Vorschrift ist auch verfassungsgemäß und mit Art. 92 GG i. V. m. Art. 104 GG (Richtervorbehalt) vereinbar (BVerfG, Beschluss v. 11.1.2007, 2 BvL 7/06; das BVerfG hat aufgrund eines Vorlagebeschlusses entschieden; vgl. AG Eilenburg, Vorlagebeschluss v. 23.1.2006, 11 Ls 254 Js 66216/05; kritisch zum Beschluss des BVerfG vgl. Möller/Schütz, Anmerkungen zu der Entscheidung des BVerfG v. 11.1.2007, 3. Kammer des Zweiten Senats, 2 BvL 7/06, ZKJ 2007 S. 282; Franzen, Anregungen zum praktischen Umgang mit § 36a SGB VIII aus jugendrichterlicher Perspektive – Replik auf den Beschluss des BVerfG vom 11.01.2007, ZJJ 2008 S. 17; zum Thema vgl. auch: Bareis, Verstößt § 36a Abs. 1 SGB VIII gegen die richterliche Unabhängigkeit?, ZJJ 2006 S. 11; zur verfassungsrechtlichen Problematik allgemein vgl. auch Brandt, Zukunft ambulanter jugendstrafrechtlicher Maßnahmen vor dem Hintergrund von § 36a SGB VIII, NStZ 2007 S. 190).

Die Vorschrift hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz – KiföG) v. 10.12.2008 (BGBl. I S. 2403) im Rahmen der aktuellen Fassung nur in einem Aspekt inhaltlich modifiziert. Mit Art. 1 Nr. 10 ändert der Gesetzgeber die nach Abs. 1 Satz 2 bestehende Verpflichtung des Trägers der Jugendhilfe, bei niedrigschwelligen ambulanten Hilfen mit den Leistungserbringern Vereinbarung zu schließen, in eine Sollvorschrift.

Mit dem Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG) ist die Vorschrift zum 1.1.2012 – inhaltlich und redaktionell – unverändert übernommen worden.

Durch Art. 1 Nr. 28 des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurde Abs. 2 mit Wirkung zum 10.6.2021 neu geregelt. Dabei blieben die Sätze 1 und 2 der bisherigen Fassung praktisch unverändert; in Satz 1 wurde hinter dem Begriff "Erziehungsberatung" lediglich klarstellend auf die einschlägige Vorschrift des § 28 verwiesen. In Satz 2 wurde klarstellend nunmehr ausdrücklich der Träger der öffentlichen Jugendhilfe genannt. In dem neu angefügten Satz 3 wird der Jugendhilfeträger darüber hinaus verpflichtet, auch die Ergebnisse der Jugendhilfeplanung nach § 80 zu beachten. Allein diese Regelung ist substanziell neu. Ursprünglich hatte der Gesetzesvorschlag die Integration des Normgehalts von § 20 in den Katalog der Hilfen zur Erziehung vorgesehen; hierfür war ein neuer § 28a vorgesehen, der die Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen vorsah (BR-Drs. 5/21 S. 7, 8, 80 = BT-Drs. 19/26107 S. 19). Auch auf diese Regelung bezog sich zunächst die Gesetzesänderung in dem neu gefassten § 36a Abs. 2. Auf die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) wurde die Integration des Normgehalts von § 20 in den Katalog der Hilfen zur Erziehung als neue Hilfeart zurückgenommen und daher der ursprünglich noch vorgesehene § 28a ersatzlos gestrichen (vgl. BT-Drs. 19/28870 S. 31 f., 104). Konsequenterweise wurden die entsprechenden Verweisungsregelungen in § 36a Abs. 2 ebenfalls ersatzlos gestrichen (vgl. BT-Drs. 19/28870 S. 34, 104 f.).

1 Allgemeines

 

Rz. 2

§ 36a insbesondere in seinem Abs. 1 schreibt das Leitbild des Jugendhilferechts und den Grundsatz vom Entscheidungsprimat des Jugendamts gesetzlich fest; eine Kostenerstattung erfolgt daher grundsätzlich nur bei einer Entscheidung durch das Jugendamt (v. Koppenfels-Spies, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 36a Rz. 10). Die Vorschrift dient damit – insbesondere auch durch die Konkretisierung der Voraussetzungen in Abs. 3 – der Eindämmung der Selbstbeschaffung. Ziel ist es, die fachliche und wirtschaftliche Steuerungskompetenz des Jugendamts zu sichern und damit vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Kassen die Leistungen gezielt den jungen Menschen zugutekommen zu lassen, die der Unterstützung bedürfen. Der Nachrang der öffentlichen Jugendhilfe – wie er in § 10 Abs. 1 niedergelegt ist - wird gegenüber den Leistungspflichten anderer, aber auch im Hinblick auf die Heranziehung der leistungsbegünstigten Personen zu den Kosten der Hilfen einer gesteigerten Leist...

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