1 Rechtsentwicklung bis zum Inkrafttreten des AsylbLG

 

Rz. 1

Die Regelungen über Hilfeleistungen des Staates an Deutsche und Ausländer waren ursprünglich gleichermaßen im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) enthalten. Für ausländische Hilfesuchende enthielt § 120 BSHG Sonderregelungen. Als seit 1980 Asylsuchende in großer Zahl in das Bundesgebiet einreisten, beschränkte der Gesetzgeber mit dem 2. Haushaltstrukturgesetz (BGBl. I 1981 S. 1523) ab 1.1.1982 den Anspruch asylsuchender Ausländer dahingehend, dass die Leistungen grundsätzlich als Sachleistungen gewährt werden sollten. Die Gewährung weiterer Hilfen wurde in das Ermessen des Sozialhilfeträgers gestellt. Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 1984 (BGBl. I 1983 S. 1532) wurden diese Regelungen ab 1.1.1984 auf ausreisepflichtige Ausländer ausgedehnt.

 

Rz. 2

Unter dem Eindruck der weiter ansteigenden Zahl von Asylbewerbern und Zuwanderern und nachdem Versuche der Kommunen zur Kürzung der Sozialhilfeleistungen für diese Ausländergruppen rechtlich beanstandet worden waren (vgl. BVerwG, Urteil v. 26.9.1991, 5 C 61/88, BVerwGE 89 S. 87), kam es nach fraktionsübergreifenden Beratungen auf Bundesebene zum sog. Asylkompromiss. Neben der Einführung von Art. 16a GG und einer völligen Neuordnung des Asylverfahrensrechts sah dieser Kompromiss die Ausgliederung der Regelungen über die Hilfegewährung für die in § 1 AsylbLG genannten Personenkreise der hilfebedürftigen Asylbewerber, Asylfolgeantragsteller, geduldeten und vollziehbar zur Ausreise verpflichteten Ausländer und deren Familienangehörige aus dem BSHG vor. Demgemäß trat mit dem Gesetz zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber v. 30.6.1993 (BGBl. I S. 1074) am 1.11.1993 das AsylbLG in Kraft. Weitreichende Änderungen erfolgen durch das Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes v. 10.12.2014 (BGBl. I S. 2187), das eine Reaktion auf das Urteil des BVerfG v. 18.7.2012 (u. a. 1 BvL 10/10) ist, mit dem das Gericht die seit 1993 in der Höhe unverändert gebliebenen Leistungen nach § 3 AsylbLG als evident verfassungswidrig eingestuft hatte (s. u. Rz. 5 f.). Unter Hinweis auf die steigende Zahl von Asylbewerbern im Laufe des Jahres 2015 hat der Gesetzgeber sich zeitnah veranlasst gesehen, das Asylbewerberleistungsgesetz durch das am 24.10.2015 in Kraft getretene Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (Artikel 2) vom 20.10.2015, BGBl. I, S. 1722 erneut zu ändern. Von der Änderung betroffen sind die §§ 1, 1a, 3, 4, 5, 7, 8, 9, 10a, 11, 12 und 14, wobei die Veränderungen der §§ 3 und 1a den Schwerpunkt der Änderungen bilden dürften. Vgl. ausführlich zur Entstehungsgeschichte des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes hinsichtlich der darin enthaltenen Änderungen des AsylbLG : Deibel, ZFSH/SGB 2015,, 704 f.

2 Zielsetzung und Zuordnung zu den Regelungsbereichen des Ausländerrechts und des Sozialrechts

 

Rz. 3

Das Gesetzespaket zum Asylkompromiss hatte zum Ziel, den Zuzug von Asylbewerbern und Zuwanderern zu begrenzen. Dem entsprechend sah das AsylbLG für die einbezogenen Personengruppen eine erhebliche Absenkung der bisherigen Leistungen, die Unterbringung in zentralen Anlaufstellen und in Gemeinschaftsunterkünften und die vorrangige Gewährung von Sachleistungen zum Lebensunterhalt vor, wobei diese Regelungen aufgrund der jüngeren Gesetzesänderungen im Hinblick auf das Urteil des BVerfG v. 18.7.2012 (u. a. 1 BvL 10/10) zugunsten der Antragsteller erheblich abgeändert wurden. Insbesondere wurde in der ab dem 1.3.2015 geltenden Fassung des § 3 AsylbLG am Sachleistungsprinzip allein für die in Aufnahmeeinrichtungen i. S. d. § 44 AsylVfG untergebrachte Ausländer festgehalten (vgl. auch Hohm, AsylbLG, § 3 Rz. 5), während im Übrigen wie auch im Sozialhilferecht der Vorrang von Geldleistungen eingeführt wurde. Angesichts der steigenden Zahl des anspruchsberechtigten Personenkreises wurden insoweit jedoch bereits durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.10.2015 (BGBl. I, S. 1722) wieder Änderungen vorgenommen, die bei der Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen nach § 44 Asylgesetz Sachleistungen ermöglichen und das Geldleistungsprinzip für diesen Personenkreis zurückdrängen. Wenn die Voraussetzung des vertretbaren Verwaltungsaufwandes erfüllt ist, sollen die Leistungen des notwendigen persönlichen Bedarfs durch Sachleistungen gedeckt werden, § 3 Abs. 1 Satz 6.

Wegen der engen Anbindung an das Asyl- und Ausländerrecht wird das AsylbLG als Annex zum Aufenthalts- und Niederlassungsrecht des Asylgesetzes (früher: Asylverfahrensgesetz) eingestuft. Es enthält jedoch materielles Sozialrecht, dessen Nähe zum Sozialhilferecht unverkennbar ist.

 

Rz. 4

Da das AsylbLG nicht in den Katalog des Art II § 1 SGB I aufgenommen wurde, zählt es nicht zu den Materien des Sozialgesetzbuchs und damit nicht zum Sozialrecht im formellen Sinn. Daher sind für das Verwaltungsverfahren nicht die Vorschriften des SGB X, sondern die der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder anzuwenden, soweit nicht Vorschriften des AsylbLG ausdrücklich bestimmte Vorschriften des SGB X für anwendbar erklären (§ 7 Abs. 4, § 7b, § 9 Abs. 3 AsylbLG). Auch die allgemeinen Regelungen des SGB I ...

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