Rz. 11a

Abs. 3 Satz 1 regelt seit dem 1.3.2015 die analoge Anwendung solcher Vorschriften des SGB I, die die Mitwirkungspflichten der Leistungsberechtigten regeln (§§ 60 bis 67 SGB I). Zuvor waren dieselben Regelungen in § 7 Abs. 4 bei den Regelungen über die Anrechnung von Einkommen und Vermögen enthalten, wo sie systemfremd untergebracht waren. Die Verlagerung in § 9 Abs. 3 durch das Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes v. 10.12.2014 (BGBl. I S. 2187) fügt sich in die Systematik des AsylbG wesentlich besser ein. Satz 2 wurde erst durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften v. 17.7.2017 (BGBl. I S. 2541) eingeführt; er soll die Vorschrift des § 11 Abs. 3a flankieren und sicherstellen, dass es nicht zu Sozialleistungsmissbrauch durch Identitätstäuschung, insbesondere durch die Verwendung von Mehrfachidentitäten kommt. Hierzu wurde die Pflicht eingefügt, Fingerabdruck-Scans zu dulden.

 

Rz. 11b

Eine Vorschrift über die entsprechende Anwendung der §§ 60 f. SGB I war notwendig, weil infolge der Ausgliederung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz aus dem BSHG a. F. und dem SGB XII, die Vorschriften des SGB I und des SGB X nicht unmittelbar anwendbar sind, was auf der Grundlage der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder dazu geführt hätte, dass Mitwirkungspflichten der Beteiligten, insbesondere deren Verpflichtung, ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel anzugeben, sowie Änderungen mitzuteilen, nicht, jedenfalls nicht sanktionsbewehrt begründet werden könnten (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.8.2007, 16 A 1158/05). Um aber sanktionsbewehrte Mitwirkungspflichten statuieren zu können, entschloss sich der Gesetzgeber, die genannten Vorschriften des SGB I über Mitwirkungspflichten und die Folgen ihrer Verletzung zunächst in den § 7 Abs. 4 a. F. aufzunehmen (BT-Drs. 13/2746 S. 17). Nunmehr sind dieselben Regelungen in § 9 Abs. 3 enthalten.

 

Rz. 11c

Zweifelhaft ist, ob die §§ 60 f. SGB I (und § 99 SGB X) in allen die Leistungsgewährung betreffenden Fällen anzuwenden sind (so Hohm, AsylbLG, § 7 Rz. 135). Nach der Entstehungsgeschichte und Gesetzessystematik dürften § 7 Abs. 4 und dementsprechend die §§ 60 f. SGB I nur in solchen Fällen anzuwenden sein, in denen es um die Herstellung des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe geht (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.8.2007, 16 A 1158/05); denn die Ablehnung einer Leistung nach § 66 Abs. 3 SGB I ist an die Voraussetzung geknüpft, dass wegen der fehlenden Mitwirkung nicht feststellbar ist, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs vorliegen. Nach § 60 Abs. 1 SGB I können Antragsteller auch nur zur Angabe solcher Tatsachen und Beweismittel angehalten werden, die ihnen auch selbst bekannt sind. Bleiben aber entscheidungserhebliche Tatsachen offen, für die der Antragsteller die objektive Beweislast trägt, bleibt der Behörde die Möglichkeit, die Leistung versagen, weil die Leistungsvoraussetzungen (z. B. Bedürftigkeit; hier: Frage der eheähnlichen Lebensgemeinschaft) nach den Regeln der materiellen Beweislast in tatsächlicher Hinsicht nicht gegeben sind (Bay. VGH, Beschluss v. 1.7.1998, 12 CE 98.1061).

 

Rz. 11d

Um einen von § 66 Abs. 3 SGB I erfassten Fall, bei dem die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs zweifelhaft sind, geht es bei den gekürzten Leistungen nach § 1a nicht (str., a. A. VG Hamburg, Urteil v. 9.4.2002, 5 VG 3247/2000; wie hier: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 15.4.2009, 1 L 229/04). Die Anwendung der §§ 60 bis 67 SGB I ist daher nicht erforderlich, um eine Leistungseinschränkung nach § 1a AsylbLG verfügen zu können (OVG Nordrhein-Westfalen, a. a. O.). Nach einer Entscheidung des LSG Baden-Württemberg (Beschluss v. 25.8.2005, L 7 AY 3115/05 ER-B) soll aber eine Anhörung erforderlich sein. Dies erscheint in dieser Allgemeinheit fraglich. Notwendig ist nach der hier vertretenen Auffassung nur, dass dem Ausländer deutlich vor Augen geführt wird, welche Form der Mitwirkung von ihm erwartet wird, um die Absenkung der Leistungen nach § 1a zu vermeiden. Eine darüber hinausgehende Anhörung ist nach § 28 VwVfG der Länder nur erforderlich, wenn für den betroffenen Zeitraum zuvor höhere Leistungen bewilligt worden sind und nunmehr der Erlass eines belastenden Verwaltungsakts beabsichtigt ist, der für denselben Zeitraum oder einen Teil davon geringere Leistungen vorsieht; denn nur dann liegt ein Eingriff in Rechte des Ausländers i. S. d. § 28 VwVfG der Länder vor. Eine Pflicht der Behörde zur Fristsetzung und Rechtsfolgenbelehrung besteht nicht (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 15.4.2009, 1 L 229/04; a. A. VG Hamburg, Urteil v. 9.4.2002, 5 VG 3247/2000, InfAuslR 2002 S. 412).

 

Rz. 11e

§ 9 Abs. 3 Satz 2 wurde erst durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und weiterer Vorschriften v. 17.7.2017 (BGBl. I S. 2541) eingefügt. Es handelt sich hierbei um eine notwendige Folgeänderung zur Einfügung des § 11 Abs. 3a durch das o. g. Ge...

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