Rz. 20

Nach Abs. 1 sind nicht nur Einkommen und Vermögen des Leistungsberechtigten vorrangig einzusetzen, sondern auch Einkommen und Vermögen von Familienangehörigen.

Der Begriff des Familienangehörigen i. S. d. Abs. 1 Satz 1 ist streitig. Der insoweit vertretenen engen Auffassung zu Folge sind hiervon nur der Ehegatte und die minderjährigen Kinder des Leistungsberechtigten erfasst, während nach dem weiten Verständnis des Begriffes – über den Ehegatten und die minderjährigen Kinder hinaus – alle Verwandten und Verschwägerten der Leistungsberechtigten gleich welchen Grades erfasst sein sollen (vgl. zum Streitstand zuletzt ausführlich LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 19.6.2007, L 7 AY 80/06). Für den zuletzt genannten weiten Begriff des Familienangehörigen hat sich vor allem das OVG Nordrhein-Westfalen (Urteil v. 1.3.2004, 12 A 3543/01; ebenso VGH Kassel, Beschluss v. 7.9.2004, 10 UE 600/04, FEVS 56 S. 111; Anm. von Hohm zu dieser Entscheidung bei juris-PR-SozR 4/2005 Rz. 4) ausgesprochen und zur Begründung ausgeführt, das AsylbLG definiere den Begriff des Familienangehörigen i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 1 nicht. Für die weite Auslegung, die über die Ehegatten oder minderjährigen Kinder hinaus auch weitere Angehörige des Leistungsberechtigten umfasse, sprächen § 2 Abs. 2 AsylbLG 1993 und der 1998 eingefügte § 1a. Aus dem Umstand, dass § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG 1993 bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG 1997 nur Ehegatten oder minderjährige Kinder eines leistungsberechtigten Ausländers nenne, könne nicht geschlossen werden, dass das AsylbLG generell nur diesen Personenkreis meine, wenn es von Familienangehörigen spreche. Wenn dem so wäre, hätte es des Zusatzes "i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 3" in § 2 Abs. 2 AsylbLG 1993 bzw. "nach § 1 Abs. 1 Nr. 6" in § 1 a AsylbLG 1998 nicht bedurft. Dass der Gesetzgeber diesen Zusatz für erforderlich gehalten habe, zeige, dass er von einem weiter gefassten Begriffsverständnis des Angehörigen ausgegangen sei. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch würden als Familienangehörige auch Verwandte, wie die Großeltern oder Onkel und Tante sowie Schwager und Schwägerin bezeichnet, wenn auch unter Familie nicht selten die aus Eltern und ihren minderjährigen Kindern bestehende kleine Familie verstanden werde. Auch im Zusammenhang anderer gesetzlicher Bestimmungen werde der Begriff des Familienangehörigen im weiteren Sinne verstanden. Zudem müsse der Gesetzeszweck, Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG gegenüber Leistungsberechtigten nach dem BSHG herabzustufen und strengeren Beschränkungen zu unterwerfen, auch bei der Auslegung des § 7 Rechnung getragen werden.

 

Rz. 21

Diesen und weiteren Erwägungen des OVG Nordrhein-Westfalen (a. a. O.) ist das LSG Niedersachsen-Bremen in seinem Urteil v. 19.6.2007 (L 11 AY 80/06, NVwZ 2008 S. 115) überzeugend entgegengetreten. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat insoweit maßgeblich auf die Entstehungsgeschichte des AsylbLG abgestellt. Es hat darauf hingewiesen, dass die Vorläuferregelungen zum Asylbewerberleistungsgesetz in § 120 BSHG a. F. enthalten gewesen seien, so dass auch der dem BSHG zugrunde liegende Familienbegriff maßgebend sei. § 120 BSHG a. F. habe Leistungen für die aus den Eltern und ihren minderjährigen Kindern bestehende Bedarfsgemeinschaft vorgesehen, also den engen Familienbegriff zugrunde gelegt (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 26.9.2011, L 20 AY 43/08; zuvor schon mit Beschluss v. 21.9.2010, L 20 B 50/09 AY ER). Auch nach § 19 Abs. 1 SGB XII sei der Kreis der im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigenden Personen auf die nicht getrennt lebende Ehegatten oder Lebenspartner und die zum Haushalt gehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder beschränkt. Volljährige Kinder oder sonstige Verwandte seien von dieser Regelung nicht erfasst. Der Gesetzgeber habe es unterlassen, durch die Formulierung in § 7 Abs. 1 Satz 1 oder durch tragfähige Ausführungen in den Gesetzesbegründungen hinreichend deutlich zu machen, dass er im Gegensatz zu den sozialhilferechtlichen Regelungen von einem weiten Begriff des Familienangehörigen in § 7 Abs. 1 Satz 1 im Rahmen der Bedarfs- bzw. Einstandsgemeinschaft ausgehen wolle. Der enge Begriff der Familienangehörigen widerspreche auch nicht den mit dem AsylbLG verfolgten Zweck, etwa den Anreiz zur Einreise von Ausländern aus wirtschaftlichen Gründen zu verringern, ein eigenes Konzept zur Sicherung des Lebensbedarfs zu entwickeln und Regelungen über die Gewährung von Leistungen abweichend vom Recht der Sozialhilfe zu treffen. Die deutlich unter das Sozialhilfeniveau abgesenkten Leistungen, der Vorrang von Sachleistungen im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach § 3, die weitgehend ungeschützte Anrechnung von Einkommen und Vermögen nach dem AsylbLG unterschieden sich auch dann noch erheblich von den Regelungen des Sozialhilferechts, wenn der Gesetzesanwendung des § 7 ein enger Familienbegriff zugrunde gelegt werde. Es sei daher nicht zutreffend, wenn das OVG Nordrhein-Westfalen davon ausgehe, dass unter Berück...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge