Rz. 34

Vom Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes werden nach § 1 Abs. 2 diejenigen Personen ausgenommen, die einen anderen als die in § 1 Abs. 1 Nr. 3 genannten Aufenthaltstitel erhalten haben. Bei diesen "anderen" Aufenthaltstiteln handelt es sich um Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 AufenthG (Aufenthaltsgewährung durch oberste Landesbehörden aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen, vgl. SG Hildesheim, Beschluss v. 11.5.2011, S 42 AY 21/11 ER, auch zur Fiktionswirkung eines Antrages auf Verlängerung einer solchen Aufenthaltserlaubnis gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG und zur Bindung an die Entscheidung der Ausländerbehörde), § 24 AufenthG (Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz), § 25 Abs. 4 AufenthG (Aufenthaltserlaubnis für vorübergehenden Aufenthalt aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen) oder § 25 Abs. 5 AufenthG (Unmöglichkeit der Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen). Dieser Aufenthaltstitel muss eine Gesamtgeltungsdauer von mehr als 6 Monaten haben, damit die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 erfüllt sind. Der in § 1 Abs. 2 angesprochene Personenkreis hat bereits Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen und soll einen Sozialhilfeanspruch nach § 23 SGB XII (Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 1 Rz. 11) bzw. bei Erwerbsfähigkeit nach dem SGB II erhalten, nachdem sein Aufenthalt durch Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen längeren Zeitraum (weiter) legalisiert worden ist und 6 Monate verstrichen sind.

 

Rz. 34a

Unübersichtlich ist das Verhältnis der in § 1 Abs. 2 genannten Aufenthaltstitel zu den Folgen eines Asylantrages. Wenn und solange ein Ausländer eine Aufenthaltsgestattung als Asylbewerber besitzt, erlischt eine ihm vor Stellung seines Asylantrages erteilte Aufenthaltserlaubnis, wenn diese keine längere Geltungsdauer als 6 Monate hat (Deibel, ZAR 2011 S. 128; § 55 Abs. 2 AsylVfG). Dies gilt auch für die Fiktionswirkung von Anträgen auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 81 Abs. 3 und Abs. 4 AufenthG, über die von der Ausländerverwaltung noch nicht entschieden wurde.

Unberührt vom Asylantrag bleiben aber solche Aufenthaltserlaubnisse mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als 6 Monaten. Diese Erlaubnisse erlöschen also durch den Asylantrag nicht. Dies gilt auch für die Fiktionswirkung eines Antrages auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als 6 Monaten gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG (Deibel, a. a. O.). Dies hat für den genannten Personenkreis die Folge, dass sie keine Leistungen nach dem AsylbLG, sondern die höheren Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII beziehen können (Deibel, a.a.O).

 

Rz. 35

Nach den Gesetzgebungsmaterialien soll die Besserstellung nach § 1 Abs. 2 erfolgen, weil bei der dort angesprochenen Gruppe von Ausländern keine asylverfahrensrechtlichen Gründe maßgeblich sind und damit eine soziale Einbindung erforderlich ist (Hohm, a. a. O., unter Hinweis auf BT-Drs. 12/4451 S. 5). Das Gesetz geht hier von einer weiter fortschreitenden Integration und Verfestigung des Aufenthaltsstatus aus, sodass diese Personen nach Erteilung des weiteren Aufenthaltstitels nur noch in den oben genannten 6 Monaten Leistungen nach dem AsylbLG und danach höhere Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII erhalten sollen (Hohm, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 1 AsylbLG Rz. 22; kritisch zur gesetzlichen Formulierung und zum Anwendungsbereich Birk, in: LPK-SGB XII, § 1 AsylbLG Rz. 12). Streitig ist, ob der Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 2 auf solche Situationen entsprechend anzuwenden ist, in denen zunächst eine auf 6 Monate befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 23a (Aufenthaltsgewährung in Härtefällen) bzw. § 25 Abs. 3 AufenthG (Aufenthaltserlaubnis bei Abschiebungsverbot) erteilt worden ist und diese nach Ablauf des Befristungszeitraums wiederum befristet verlängert worden ist (bejahend Birk, a. a. O.; a. A. wohl Adolph, in: Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, § 1 AsylbLG Rz. 46: "keine Addition der Zeiträume bei verschiedenen Aufenthaltstiteln").

 

Rz. 36

Zutreffend wird Abs. 2 in der Kommentarliteratur (vgl. nur Birk, a. a. O., Rz. 12) als schwer verständlich beschrieben. Erfasst werden aber wohl auch Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 3 mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als 6 Monaten (wie hier Hohm, a. a. O., § 1 Rz. 105). Maßgeblich ist bei allen Titeln, dass diese auch tatsächlich erteilt wurden, ein bloßer Anspruch auf den Titel reicht nicht aus (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 12.4.2011, L 20 AY 28/08, bestätigt durch BSG, Urteil v. 20.12.2012, B 7 AY 1/11 R, alt: B 8 AY 1/11 R). Maßgeblich für die Berechnung der Gesamtgeltungsdauer ist der erlaubte und nicht der tatsächliche Aufenthalt des Ausländers (Hohm, a. a. O., § 1 Rz. 106).

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