Rz. 18

Die Rechtshängigkeit hat Wirkungen sowohl in materiell-rechtlicher als auch in prozessrechtlicher Hinsicht.

 

Rz. 19

Materiell-rechtliche Wirkungen

Materiell-rechtlich bewirkt die Rechtshängigkeit eine Unterbrechung bzw. Hemmung der Verjährung (§ 45 Abs. 2 SGB I; §§ 25 Abs. 2, 27 Abs. 3 SGB IV; § 50 Abs. 4 SGB X; § 209 BGB a. F. bzw. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i. d. F. des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26.11.2001). Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, welches größtenteils zum 1.1.2002 in Kraft getreten ist, sind die Verjährungsregelungen vollständig neu gefasst worden. Artikel 2 § 5 des Gesetzes enthält allgemeine Überleitungsregelungen, § 6 eine spezielle Überleitungsvorschrift zum Verjährungsrecht. Dadurch sollte vor allem eine Rückwirkung der neuen Regelungen auf alte, d. h. bereits vor dem 1.1.2002 begründete Schuldverhältnisse vermieden werden. Für neue Rechtsverhältnisse, auf die die ab dem 1.1.2002 geltenden BGB-Regelungen Anwendung finden, gilt nunmehr Folgendes: Die Klageerhebung führt nicht mehr zur Unterbrechung der Verjährung, sondern nur noch zu einer Hemmung der Verjährung, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Die Hemmung bewirkt nach § 209 BGB, dass der Zeitraum der Hemmung nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird. Im Gegensatz zum alten Recht beginnt die Frist also nicht neu zu laufen. Den Begriff der "Unterbrechung" kennt das BGB nicht mehr. Die wenigen noch vorhandenen Tatbestände, bei denen die Verjährungsfrist neu zu laufen beginnt, sind nunmehr unter dem Begriff "Neubeginn der Verjährung" in § 212 BGB abschließend aufgezählt. Zur Anwendbarkeit in besonderen Fallgestaltungen siehe BSG, Urteil v. 5.5.2010, B 6 KA 5/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 28 = USK 2010, 50, und v. 18.8.2010, B 6 KA 14/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 29 (Prüfantrag einer Krankenkasse); BSG, Beschluss v. 11.5.2011, B 6 KA 5/11 B, juris (Wirtschaftsprüfung).

 

Rz. 20

Die Hemmung oder (für Altfälle) Unterbrechung der Verjährung tritt nur für denjenigen ein, der den Prozess aktiv betreibt, nicht denjenigen, der lediglich Klageabweisung beantragt (BSG, Urteil v. 21.2.1990, 12 RK 55/88, BSGE 66 S. 222, 224). Die Unterbrechung/Hemmung kann auch wegen Untätigkeit enden (vgl. BSG, Urteil v. 5.5.2010, B 6 KA 5/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 28). Die Unterbrechung/Hemmung der Verjährung tritt gegenüber dem Beklagten ein; sie kann auch gegenüber dem Beigeladenen eintreten. Die Wirkung gegenüber einem Beigeladenen kann sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a. F./ § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB n. F. ergeben. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Regelung im Zivilprozess auf die Streitverkündeten bezieht und das Institut der Streitverkündung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht bekannt ist (BSG, Urteil v. 21.2.1990, 12 RK 55/88, BSGE 66 S. 222, 225). Das BSG hat allerdings ausdrücklich offen gelassen, ob eine entsprechende Anwendung des § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB (a. F.) in allen Fällen einer Beiladung erfolgen kann oder dies nur für den Fall einer Beitragsstreitigkeit gilt, welche der Entscheidung zugrunde lag. Zudem hat es die Erforderlichkeit von Aktivitäten zur Durchsetzung des Anspruchs betont.

 

Rz. 21

Darüber hinaus können Prozesszinsen anfallen. Ob und in welcher Höhe dies tatsächlich der Fall ist, hängt von der Zuordnung des Streitgegenstands ab. Es muss zunächst danach differenziert werden, ob ein öffentlich-rechtliches oder ein privat-rechtliches Rechtsverhältnis Gegenstand des Verfahrens ist. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind in zunehmendem Maße auch mit privat-rechtlichen Rechtsstreitigkeiten befasst (vgl. § 51 Abs. 2). Für derartige Streitigkeiten gilt § 291 BGB unmittelbar (siehe hierzu BSG, Entscheidung v. 17.1.1996, 3 RK 2/95; zum Vergütungsanspruch der Heilmittelerbringer vgl. SozR 3-2500 § 124 Nr. 3). Liegt ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis vor, so bestand nach der früheren Rechtsprechung des BSG kein Anspruch auf Prozesszinsen (BSGE 22 S. 150, 153 ff.; BSGE 71 S. 72, 76; BSGE 76 S. 233, 241; SGb 1997 S. 71). Dasselbe gilt grundsätzlich auch für Verzugszinsen. Letzeres gilt insbesondere weiterhin für ein Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen zwei Körperschaften des öffentlichen Rechts (BSG, Urteil v. 12.11.2015, B 14 AS 50/14 R, SozR 4-4200 § 6b Nr. 4). Es gibt zahlreiche Einzelregelungen im Sozialrecht über Zinsen, die insoweit vorrangig anzuwenden sind. Ein Anspruch auf Prozesszinsen wird dagegen mittlerweile jedenfalls nach entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 BGB bejaht (BSG, SozR 4-4200 § 6b Nr. 4). Das gilt vor allem für den gesamten Bereich des Leistungserbringungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit keine abweichenden vertraglichen Regelungen getroffen worden sind (BSG, Urteil v. 23.6.2015, B 1 KR 24/14 R, NZS 2015 S. 745; BSG, Urteil v. 23.3.2006, B 3 KR 6/05 R, BSGE 96 S. 133 = SozR 4-7610 § 291 Nr. 3; BSG, Urteil v. 28.9.2005, B 6 KA 71/04 R; BSGE 95 S. 141, 155 f. = SozR 4-2500 § 83 Nr. 2; BSG, Urteil v. 13.5.2004, B 3 KR 2/03 R, SozR...

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