Rz. 29

Bietet die Zustellung nach §§ 173 bis 175 ZPO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, ist gem. § 176 ZPO zuzustellen (vgl. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 176 Rn. 2). Die §§ 176 bis 182 ZPO regeln die Zustellung durch Zustellungsauftrag an einen Lizenznehmer, einen Justizbediensteten, einen Gerichtsvollzieher oder eine Behörde. In aller Regel wird ein Lizenznehmer beauftragt, der insoweit als beliehener Unternehmer tätig wird (§ 33 Abs. 1 PostG).

 

Rz. 30

Die Ausführung der Zustellung erfolgt nach den §§ 177 bis 181 ZPO (§ 176 Abs. 2 ZPO). Dabei wird gemäß § 176 ZPO das zuzustellende Schriftstück in einem verschlossenen Umschlag der Post mit dem Vordruck einer Zustellungsurkunde nach § 182 ZPO übergeben. Den notwendigen Inhalt der Zustellungsurkunde gibt § 182 Abs. 2 ZPO vor. Diese Zustellungsurkunde wird an die Geschäftsstelle zurückgeleitet, nachdem der Zusteller die Zustellung beurkundet hat (§ 182 Abs. 3 ZPO). Es handelt sich nach § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO um eine öffentliche Urkunde, die den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen begründet (§ 418 ZPO). Ein Gegenbeweis kann nur durch den vollen Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden (§ 418 Abs. 2 ZPO). Der Gegenbeweis erfordert den Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufes. Die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde muss vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr bezeugten Tatschen ausgeschlossen sein (vgl. BSG, Beschluss v. 8.7.2002, B 3 P 3/02 R, SozR 3-1500 § 164 Nr. 13; Beschluss v. 27.1.2005, B 7a/7 AL 194/04 B; Beschluss v. 13.11.2008, B 13 R 138/07 B; LSG Bayern, Beschluss v. 10.11.2010, L 2 R 639/10 B; vertiefend vgl. Rz. 33).

 

Rz. 31

§ 177 ZPO bestimmt die persönliche Übergabe zum Leitbild der Zustellung und erleichtert die Zustellung. Zweck des § 177 ZPO ist die Vereinfachung und Beschleunigung und damit die Prozesswirtschaftlichkeit bzw. Prozessförderung (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 177 Rn. 2). Nach § 177 ZPO kann das zuzustellende Schriftstück der Person, an die zugestellt werden soll, im Inland an jedem Ort übergeben werden, an dem sie angetroffen wird. Bei einer Zustellung außerhalb des Wohn- und Geschäftsraumes hat der Zusteller sich über die Identität des Adressaten zu vergewissern (BT-Drs. 14/4554 S. 20).

 

Rz. 32

Besondere praktische Bedeutung hat die Ersatzzustellung (§ 178 ZPO), d. h. die Zustellung in den Fällen, in denen die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 oder § 180 ZPO nicht erfolgen kann (hierzu BFH, Beschluss v. 23.11.2016, IV B 39/16, BFH/NV 2017 S. 333). Wenn die Person, der zugestellt werden soll, nicht angetroffen wird, kann in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner, einer in den Geschäftsräumen beschäftigten Person oder dem Leiter einer Einrichtung, in der der Zustellungsadressat wohnt oder seinem ermächtigten Vertreter zugestellt werden (§ 178 Abs. 1 ZPO). Die fehlende Kenntnis des Adressaten ist unerheblich. § 178 ZPO beruht auf der Vermutung, dass die Ersatzperson das Dokument an den Adressaten weitergibt; dass dies tatsächlich geschieht, ist aber nicht Wirksamkeitsvoraussetzung der Zustellung (hierzu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 178 Rn. 1). Vor einer Ersatzzustellung durch Einlegen in einen Briefkasten nach § 180 ZPO muss der Zusteller jedoch den Versuch unternehmen, einen Geschäftsraum des Adressaten in dem Gebäude aufzusuchen, um dort eine persönliche Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vorzunehmen. Er darf sich mit der Auskunft einer ihm unbekannten Person nicht zufrieden geben, dass "selten jemand da" sei, sondern muss versuchen, die Geschäftsräume zum Zweck einer persönlichen Übergabe aufzufinden. Das Fehlverhalten des Zustellers bewirkt die Unwirksamkeit der Zustellung (vgl. BFH, Urteil v. 21.01.2015, X R 16/12, BFH/NV 2015 S. 815; Beschluss v. 14.2.2007, XI B 108/05, BFH/NV 2007 S. 1158; OLG Dresden, Urteil v. 25.8.2016, 8 U 1628/15, MDR 2016 S. 1410; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 17.1.2013, L 9 AL 173/11).

 

Rz. 33

Die Zustellungsurkunde stellt eine öffentliche Urkunde dar (§ 418 ZPO). In ihr wird Ort und Zeitpunkt der Zustellung bezeugt. Der Gegenbeweis ist zwar zulässig, erfordert jedoch, dass die in der Zustellungsurkunde beurkundeten Tatsachen unrichtig sind (BFH, Beschluss v. 23.11.2016, IV B 39/16, BFH/NV 2017 S. 333). Die bloße Behauptung eines anderen Geschehens oder das bloße Bestreiten genügt nicht (LSG Bayern, Beschluss v. 6.4.2009, L 2 B 608/08 AS). Die Beweiskraft einer Zustellungsurkunde kann daher nicht durch die bloße Behauptung, das Schriftstück nicht erhalten zu haben, beseitigt werden (BFH, Beschluss v. 23.11.2016, IV B 39/16, BFH/NV 2017 S. 333; Beschluss v. 21.8.2002, VIII B 58/02, BFH/NV 2003 S. 176). Die Zustellungsurkunde begründet den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen (§§ 182 Abs. 1 Satz 2, 418 Abs. 1 ZPO). Zwar ist der Beweis der Unrichtigkei...

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