Rz. 14

Nur mit Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 124 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Will das Gericht durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) oder Beschluss (§ 153 Abs. 4 SGG) entscheiden, ist eine ordnungsgemäße Anhörung erforderlich, die einzelfallbezogene Ausführungen enthält und den Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme belässt.

 

Rz. 15

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gewährleistet, dass die Beteiligten zum gerichtlichen Verfahren herangezogen werden und Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern (BVerfG, Beschluss v. 19.10.1977, 2 BvR 566/76, BVerfGE 46 S. 185 ff.; BSG, Beschluss v. 23.6.2016, B 14 AS 25/16 B; vgl. Rz. 1). Ist eine mündliche Verhandlung anberaumt, müssen die Beteiligten Gelegenheit haben, am Termin teilzunehmen. Voraussetzung hierfür ist zunächst eine ordnungsgemäße Ladung unter Einhaltung der Ladungsfrist von i. d. R. 2 Wochen (§ 120 Abs. 1 Satz 1), mindestens aber 3 Tagen, § 202 SGG i. V. m. § 217 ZPO (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 3.11.1993, 1 RK 30/92, SozR 3-1750 § 551 Nr. 6; BSG, Urteil v. 19.3.1992, 12 RK 62/91, SozR 3-1500 § 110 Nr. 3; Frehse, SGb 2010 S. 388).

 

Rz. 16

Eine Terminverlegung steht grundsätzlich im Ermessen des Vorsitzenden. Es kann aber eine Pflicht zur Aufhebung bestehen, wenn ein Beteiligter oder ein Prozessbevollmächtigter am Erscheinen gehindert ist und erhebliche Gründe für eine Terminverlegung geltend macht (vgl. BSG, Beschluss v. 13.11.2008, B 13 R 303/07 B; Urteil v. 6.12.1983, 11 RA 30/83, SozR 1750 § 227 Nr. 2: plötzliche Erkrankung des Prozessbevollmächtigten; vgl. auchBFH, Beschluss v. 18.3.2003, I B 122/02, BFH/NV 2003 S. 1584; Beschluss v. 1.2.2002, II B 38/01, BFH/NV 2002 S. 938; Beschluss v. 23.11.2001, V B 224/00, BFH/NV 2002 S. 520).

 

Rz. 17

Zu den erheblichen Gründen gehören schon vor der Terminbekanntgabe geplante Urlaubsreisen (BFH, Beschluss v. 24.9.2008, VIII B 190/07; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 19.10.2011, L 11 SF 274/11 AB: Urlaub eines Einzelanwalts), anderweitig wahrzunehmende Gerichtstermine (BFH, Beschluss v. 12.1.2004, VII B 122/03, BFH/NV 2004 S. 654; Beschluss v 25.4.2002, BFH/NV 2002 S. 1182) oder Erkrankungen (vgl. BFH, Beschluss v. 10.6.2008, I B 211/07, BFH/NV 2008 S. 1697; Beschluss v. 3.8.2005, II B 47/04, BFH/NV 2005 S. 2041; zu Erkrankungen vgl. auch Rz. 18, 19), wenn eine Vertretung nicht in Betracht kommt oder als nicht zumutbar erscheint (vgl. BFH, Beschluss v. 27.1.2010, VIII B 221/09; Beschluss v. 24.9.2008, VIII B 190/07 ).

 

Rz. 18

Bei einem nicht vertretenen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen nach § 111 SGG angeordnet war, ist in der begründeten Entschuldigung zum Termin etwa durch Mitteilung einer plötzlichen Erkrankung konkludent der Antrag auf Aufhebung des Termins zu sehen. Das ist auch dann anzunehmen, wenn die Anordnung des persönlichen Erscheinens aufgehoben worden ist, der Kläger aber durch Vorlage eines ärztlichen Attestes deutlich macht, dass er in der mündlichen Verhandlung gehört werden möchte (vgl. BSG, Beschluss v. 21.7.2005, B 11a/11 AL 261/04 B). Das Gebot des rechtlichen Gehörs ist auch verletzt, wenn ein Antrag auf Terminaufhebung, der am Tag der mündlichen Verhandlung eingeht, dem Richter nicht bis zur Urteilsverkündung vorgelegt wird (BSG, Urteil v. 27.2.1985, 12 RK 63/84, SozR 1500 § 62 Nr. 17; hierzu auch Frehse, SGb 2007 S. 509).

 

Rz. 19

Wird ein Terminverlegungsantrag wegen (behaupteter) Erkrankung eines Beteiligten"in letzter Minute" gestellt, ist die Vorlage eines ärztlichen Attestes notwendig, aus dem sich eindeutig die Verhandlungsunfähigkeit ergibt, oder zumindest eine so genaue Schilderung der Erkrankung samt Glaubhaftmachung, dass das Gericht selbst beurteilen kann, ob die Erkrankung so schwer ist, dass ein Erscheinen zum Termin nicht erwartet werden kann (vgl. BFH, Beschluss v. 21.1.2004, V B 25/03 u. a., BFH/NV 2004 S. 962; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.7.2010, L 3 AS 224/10). Wenn dem Gericht im Rahmen eines Antrags auf Terminverlegung ein Verhinderungsgrund nicht hinreichend substantiiert erscheint, erfordern es die Grundsätze des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens, dem Beteiligten jedenfalls die Möglichkeit zu geben, die entsprechenden Angaben zu machen und die erforderlichen Unterlagen einzureichen (BSG, Beschluss v. 1.7.2010, B 13 R 561/09 B), sofern dies vor dem Termin noch möglich ist.

 

Rz. 20

Prozessbevollmächtigte dürfen nicht darauf vertrauen, dass das Gericht ihrer Bitte entspricht und den Termin aufhebt, solange sie keine Antwort des Vorsitzenden auf ihre Bitte um Terminverlegung bzw. Terminaufhebung erhalten haben. Mögliche Versäumnisse des Prozessbevollmächtigten lassen die Pflicht des Gerichts unberührt, einen mit einer Begründung versehenen Antrag noch vor Beginn des Termins zur mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden zu entscheiden. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass bei zunehmender Verfahrensdauer sich die mit dem Justizgewährleistungsans...

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