Rz. 67

Hiernach ist ein Richter ausgeschlossen in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat. Der sachliche Grund weicht von § 41 Nr. 7 ZPO ab. Er beruht auf der Unvereinbarkeit der auf Vertraulichkeit und Freiwilligkeit beruhenden Mediation und Schlichtung mit dem Richteramt als verbindlicher Streitentscheidung in derselben Sache (vgl BT-Drs 17/5335 S. 20). Die Vertraulichkeit des Mediationsverfahrens (vgl. § 1 Abs. 1 MediationsG) wäre gefährdet, wenn dem Richter bei seiner Entscheidung als früherem Mediator erlangtes Wissen zur Verfügung stünde.

 

Rz. 68

Die Vorschrift erstreckt sich mittelbar auch auf Sachverständige, die z. B. im Verfahren vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle einer Landesärztekammer hinzugezogen wurden. Nach § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die Ablehnung eines Sachverständigen danach grundsätzlich auch dann möglich ist, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen ein Richter von der Ausübung des Richteramtes nach § 41 ZPO ausgeschlossen wäre (so BGH, Beschluss v. 13.12.2016, VI ZB 1/16).

 

Rz. 69

Die Vorbefassung als Mediator muss dieselbe Angelegenheit ("in Sachen") i. S. v. Lebenssachverhalt betreffen (vgl. schon Rz. 53). Nr. 8 gilt für die außergerichtliche Mediation i. S. v. § 278a ZPO sowie für "andere" Verfahren der außergerichtlich Konfliktbeilegung wie Verfahren vor Schlichtungsstellen (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 41 Rn. 14b).

 

Rz. 70

Ob der Ausschluss nach § 41 Nr. 8 ZPO auch für den vom Gericht gemäß § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 278 Abs. 5 ZPO bestellten Güterichter gilt, ist umstritten (bejahend Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, § 41 Rn. 10; wohl auch Zöller/Vollkommer, ZPO, § 41 Rn. 14b). Dem kann mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut der Norm, die Entstehungsgeschichte und den gesetzgeberischen Willen nicht gefolgt werden (hierzu ausführlich VG Göttingen, Beschluss v. 27.10.2014, 2 B 986/13; vgl. auch Künzl, MDR 2016 S. 955). Der Hinweis darauf, dass es sich beim Güterichterverfahren zwar nicht um gerichtliche Mediation handelt (vgl. § 9 MediationsG), der Ausschluss aber nur die Kehrseite der fehlenden Entscheidungsbefugnis des Güterichters (vgl. § 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO) sei, führt nicht weiter. Die Tätigkeit als Güterichter (§ 278 Abs. 5 ZPO) ist formell kein Mediationsverfahren (§ 278a ZPO). Wesentlicher Unterschied ist, dass der Güterichter Teil des gerichtlichen Verfahrens ist, während die Mediation sowie andere Verfahren der Konfliktbeilegung trotz des bereits bei Gericht anhängigen Rechtsstreits außergerichtlich erfolgen. Der Gesetzgeber hat beide Wege nebeneinander gestellt, ohne eine der Möglichkeiten zu bevorzugen. Wenn er in § 41 Nr. 8 ZPO nur einen Teil der gesetzlich zur Wahl gestellten Konfliktlösungswege aufgreift, dann macht dies deutlich, dass das andere Verfahren nicht erfasst ist (LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 15.3.2017, 9a Sa 16/17). Eine analoge Anwendung scheidet aus. Der Wortlaut ist eindeutig und nicht auslegungsfähig. Angesichts ihres abschließenden Charakters ist die Norm auch nicht auslegungsbedürftig (a. A. LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 15.3.2017, 9a Sa 16/17). Greift der Ausschluss nicht, wird allerdings ein Ablehnungsgrund gegeben sein (VG Göttingen, a. a. O.; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 41 Rn. 14b; Künzl, MDR 2016 S. 955).

 

Rz. 71

§ 60 Abs. 2 nennt als weiteren Ausschlussgrund die Mitwirkung an dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren.

Mitwirkung am Verwaltungsverfahren beinhaltet – insofern deutlich weiter als beim Ausschließungsgrund nach § 41 Nr. 6 ZPO – nicht nur die Beteiligung am Erlass des Verwaltungsaktes, über den das Gericht zu entscheiden hat, sondern jedes Tätigwerden auf Seiten der Verwaltung in der Sache, das über eine bloß formale Beteiligung hinausgeht. Insofern genügt z. B. eine Teilnahme an den Ermittlungen oder der Beurteilung des Sachverhalts; gleiches gilt für die Mitwirkung an Maßnahmen der Aufsichtsbehörde, durch die Art und Inhalt des angefochtenen Verwaltungsaktes beeinflusst worden sind (LSG Bayern, Beschluss v. 18.1.2002, L 15 VG 10/01). Als zum Ausschluss führende Tätigkeit reicht das Sichten und Sammeln des Streitstoffs oder eine nur beratende Tätigkeit aus, wenn sie im Rahmen des Verfahrens stattgefunden hat, in dem die angefochtene Verwaltungsentscheidung ergangen ist (BSG, Beschluss v. 27.6.2001, B 6 KA 81/00 B). Hat ein Arzt, der als "Vorstandsbeigeordneter" regelmäßig an den Sitzungen des Vorstands einer Kassenärztlichen Vereinigung mit beratender Stimme teilnimmt, an der Sitzung des Vorstands beratend mitgewirkt, in der über den Widerspruch eines Vertragsarztes gegen einen Verwaltungsakt der Kassenärztlichen Vereinigung entschieden wurde, so ist dieser Vorstandsbeigeordnete nach § 60 Abs. 2 von der Ausübung des Amtes als ehrenamtlicher Richter in dem Verfahren ausgeschlossen, d...

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