1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist durch das 6. SGGÄndG v. 17.8.2001 (BGBl. I S. 2144) mit Wirkung zum 2.1.2002 neu gefasst worden. Sie entspricht nunmehr im Wesentlichen § 24 VwGO, § 21 FGO, § 21 Abs. 5, § 27 ArbGG, §§ 52, 113 GVG. Die Vorschrift ist notwendig, weil gemäß § 44 Abs. 2 DRiG ein ehrenamtlicher Richter gegen seinen Willen nur unter gesetzlich bestimmten Voraussetzungen und durch Entscheidung eines Gerichts abberufen werden kann. Die Vorschrift wurde bis zum 24.4.2006 ergänzt durch das Gesetz zur Prüfung von Rechtsanwaltszulassungen, Notarbestellungen und Berufungen von ehrenamtlichten Richtern v. 24.7.1992 (BGBl. I S. 1386). Diese Inhalte sind dann in § 44a DRiG übernommen worden. Neben der Einführung einer vorläufigen Anordnung bis zur endgültigen Entscheidung (§ 22 Abs. 3) sind im Wesentlichen schon früher durch Auslegung oder entsprechende Anwendung von § 22 erreichte Lösungen gesetzlich bestimmt worden. Ferner ist die nicht notwendige, aber äußerst sinnvolle Unterscheidung von Amtsentbindung und Amtsenthebung erfolgt sowie die Möglichkeit geschaffen worden, einen ehrenamtlichen Richter bis zum Ende der Amtsperiode trotz Wegfalls einer Berufungsvoraussetzung (z. B. Arbeitgeber) weiter mitwirken zu lassen. Von der Amtsentbindung und -aufhebung ist die Entlassung aus dem Amt gemäß § 18 Abs. 3 zu unterscheiden. Absatz 1 Satz 4 stellt nun ausdrücklich klar, dass eine nicht durchgeführte Amtsentbindung kein Zurückverweisungs- oder Revisionsgrund ist. § 22 trifft neben § 18 Abs. 3 keine abschließende Regelung über die Aufhebung der Berufung zum ehrenamtlichen Richter, denn die Berufung zum ehrenamtlichen Richter kann von einem Nichtberufenen im Wege der Anfechtungsklage vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit angegriffen werden. Durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 12.6.2020 (BGBl. I S. 1248) sind mit Wirkung zum 1.7.2020 in Abs. 1 die Sätze 1 und 3 neu gefasst worden.

2 Rechtspraxis

2.1 Amtsentbindung

 

Rz. 2

Durch die vorliegende Fassung von § 22 ist eine begriffliche Unterscheidung bezüglich der Auflösung des Rechtsverhältnisses als ehrenamtlicher Richter vorgenommen worden. Der bisher allein verwendete Begriff der Amtsenthebung wird nunmehr allein auf den Tatbestand der groben Amtspflichtverletzung verwandt. Für alle übrigen Beendigungstatbestände spricht das Gesetz nunmehr von der Amtsentbindung. In § 22 Abs. 1 wird jetzt auch klargestellt, dass eine Amtsentbindung auch dann zu erfolgen hat, wenn das Berufungsverfahren (die Berufung zum ehrenamtlichen Richter) fehlerhaft war. Damit wird § 22 jedoch nicht zur abschließenden Norm. Denn ein Außenstehender (Nichtberufener), dessen Rechte durch die Berufung verletzt sein können, hat zwar nicht die Möglichkeit, eine Entscheidung nach § 22 herbeizuführen; er hat aber das Recht, eine Konkurrentenklage zu erheben. § 22 differenziert zwischen der zwingenden Amtsentbindung (Abs. 1 Satz 1), dem grundsätzlichen Ausschluss der Amtsentbindung bei Wegfall der Berufungsvoraussetzungen im Laufe der Amtszeit (Abs. 1 Satz 3) und der zwingenden Amtsenthebung (Abs. 1 Satz 2). Die Differenzierung bewirkt, dass sich der ehrenamtliche Richter im Falle einer Amtsentbindung nicht mehr verletzt fühlen kann, da dieser Begriff anders als der Begriff der Amtsenthebung nicht impliziert, dass ein Verschulden des ehrenamtlichen Richters vorliegt (Kummer, SGb 2001 S. 705, 708).

 

Rz. 3

Die Amtsentbindung muss erfolgen, wenn das Berufungsverfahren fehlerhaft war, das Fehlen einer Voraussetzung für die Berufung nachträglich bekannt wird oder der Eintritt eines Ausschließungsgrundes bekannt wird. Mit der Gesetzesänderung zum 1.7.2020 ist nun zwingend eine Amtsentbindung auch dann vorgesehen, wenn der ehrenamtliche Richter die zur Ausübung des Amtes erforderlichen geistigen oder körperlichen Fähigkeiten nicht mehr besitzt. Diese Ergänzung war erforderlich, weil bislang in Fällen des dauerhaften Wegfalls der gesundheitlichen Fähigkeit des ehrenamtlichen Richters zur Ausübung des Amtes eine Entbindung vom Amt nur nach Satz 3 erfolgen konnte, weil eine ungeschriebene Voraussetzung für die Berufung weggefallen war. Mit der Änderung des Satzes 3 fällt diese Möglichkeit der Amtsenthebung während der laufenden Amtszeit weg, weshalb die Fallkonstellation ausdrücklich in Satz 1 aufgenommen worden ist. Ein fehlerhaftes Berufungsverfahren liegt immer dann vor, wenn gegen zwingende verfahrensrechtliche Voraussetzungen i. S. v. §§ 13, 14 bei der Berufung zum ehrenamtlichen Richter verstoßen worden ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die nach Landesrecht zuständigen Stellen nicht ausreichend mitgewirkt haben. Die in § 16 genannten (persönlichen) Voraussetzungen für die Berufung zum ehrenamtlichen Richter müssen allein im Zeitpunkt der Berufung erfüllt sein, da nach der Neufassung von § 22 ein Wegfall im Laufe der Amtszeit grundsätzlich nicht zur Amtsentbindung führt. Etwas anderes gilt nur beim Wegfall der erforderlichen geistigen und körperlichen Fähigkeiten (Abs....

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