Rz. 2

Durch die vorliegende Fassung von § 22 ist eine begriffliche Unterscheidung bezüglich der Auflösung des Rechtsverhältnisses als ehrenamtlicher Richter vorgenommen worden. Der bisher allein verwendete Begriff der Amtsenthebung wird nunmehr allein auf den Tatbestand der groben Amtspflichtverletzung verwandt. Für alle übrigen Beendigungstatbestände spricht das Gesetz nunmehr von der Amtsentbindung. In § 22 Abs. 1 wird jetzt auch klargestellt, dass eine Amtsentbindung auch dann zu erfolgen hat, wenn das Berufungsverfahren (die Berufung zum ehrenamtlichen Richter) fehlerhaft war. Damit wird § 22 jedoch nicht zur abschließenden Norm. Denn ein Außenstehender (Nichtberufener), dessen Rechte durch die Berufung verletzt sein können, hat zwar nicht die Möglichkeit, eine Entscheidung nach § 22 herbeizuführen; er hat aber das Recht, eine Konkurrentenklage zu erheben. § 22 differenziert zwischen der zwingenden Amtsentbindung (Abs. 1 Satz 1), dem grundsätzlichen Ausschluss der Amtsentbindung bei Wegfall der Berufungsvoraussetzungen im Laufe der Amtszeit (Abs. 1 Satz 3) und der zwingenden Amtsenthebung (Abs. 1 Satz 2). Die Differenzierung bewirkt, dass sich der ehrenamtliche Richter im Falle einer Amtsentbindung nicht mehr verletzt fühlen kann, da dieser Begriff anders als der Begriff der Amtsenthebung nicht impliziert, dass ein Verschulden des ehrenamtlichen Richters vorliegt (Kummer, SGb 2001 S. 705, 708).

 

Rz. 3

Die Amtsentbindung muss erfolgen, wenn das Berufungsverfahren fehlerhaft war, das Fehlen einer Voraussetzung für die Berufung nachträglich bekannt wird oder der Eintritt eines Ausschließungsgrundes bekannt wird. Mit der Gesetzesänderung zum 1.7.2020 ist nun zwingend eine Amtsentbindung auch dann vorgesehen, wenn der ehrenamtliche Richter die zur Ausübung des Amtes erforderlichen geistigen oder körperlichen Fähigkeiten nicht mehr besitzt. Diese Ergänzung war erforderlich, weil bislang in Fällen des dauerhaften Wegfalls der gesundheitlichen Fähigkeit des ehrenamtlichen Richters zur Ausübung des Amtes eine Entbindung vom Amt nur nach Satz 3 erfolgen konnte, weil eine ungeschriebene Voraussetzung für die Berufung weggefallen war. Mit der Änderung des Satzes 3 fällt diese Möglichkeit der Amtsenthebung während der laufenden Amtszeit weg, weshalb die Fallkonstellation ausdrücklich in Satz 1 aufgenommen worden ist. Ein fehlerhaftes Berufungsverfahren liegt immer dann vor, wenn gegen zwingende verfahrensrechtliche Voraussetzungen i. S. v. §§ 13, 14 bei der Berufung zum ehrenamtlichen Richter verstoßen worden ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die nach Landesrecht zuständigen Stellen nicht ausreichend mitgewirkt haben. Die in § 16 genannten (persönlichen) Voraussetzungen für die Berufung zum ehrenamtlichen Richter müssen allein im Zeitpunkt der Berufung erfüllt sein, da nach der Neufassung von § 22 ein Wegfall im Laufe der Amtszeit grundsätzlich nicht zur Amtsentbindung führt. Etwas anderes gilt nur beim Wegfall der erforderlichen geistigen und körperlichen Fähigkeiten (Abs. 1 Satz 1, letzte Alternative). Ein Wegfall der in § 16 genannten persönlichen Voraussetzungen wird nur in seltenen Fällen auftreten, etwa wenn ein Arbeitgebervertreter bei der Aufnahme in die Vorschlagsliste (§ 14) noch leitender Angestellter einer juristischen Person war, im Zeitpunkt seiner Berufung aber schon im Ruhestand ist. Soweit ein Ausschließungsgrund (§ 17) bei der Berufung vorgelegen hat oder später eintritt, ist die Amtsentbindung die zwangsläufige Folge. Die Amtsentbindung hat auch dann zu erfolgen, wenn das Fehlen der Berufungsvoraussetzungen von Anfang an bekannt war, der ehrenamtlichen Richter jedoch in Verkennung der Rechtslage dennoch berufen wurde (BSG, Beschluss v. 26.9.1985, 1 S 12/85).Von der Amtsentbindung ist die Entlassung aus dem Amt des ehrenamtlichen Richters gemäß § 18 Abs. 3 zu unterscheiden, die nur (auf Antrag des ehrenamtlichen Richters) bei nachträglichem Eintritt bestimmter Ablehnungsgründe (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 bis 5) erfolgen kann. Diese Möglichkeit ist weiter gegeben und durch die Gesetzesänderung zum 1.7.2020 nicht tangiert worden (Abs. 1 Satz 3 HS 2). Soweit bekannt wird, dass die Berufungsvoraussetzungen (25. Lebensjahr) bei der Berufung (noch) nicht vorlagen, aber im Zeitpunkt des Bekanntwerdens vorliegen, so ist eine Amtsentbindung nicht mehr möglich (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 22 Rz. 5 m. w. N.).

 

Rz. 4

Seit dem 2.1.2002 ermöglichte § 22 Abs. 1 Satz 3, dass ein ehrenamtlicher Richter nicht zwangsläufig von seinem Amt zu entbinden ist, wenn eine Voraussetzung für seine Berufung während einer Amtszeit wegfällt. Durch die Kann-Bestimmung bestand die Möglichkeit, bis zum Ende der Amtszeit weiter ehrenamtlicher Richter zu bleiben. Durch die Änderung von Abs. 1 Satz 3 zum 1.7.2020 wird angeordnet, dass bei einem Wegfall der Berufungsvoraussetzungen im Laufe der Amtszeit keine Amtsentbindung erfolgt. Die Änderung in Satz 1 ist eine Folgeänderung zu der Neufassung des Satze...

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