Rz. 72

§ 161 Abs. 1 VwGO schreibt für jede Entscheidung (Urteil, Gerichtsbescheid, Beschluss), durch die ein anhängiges selbstständiges Verfahren abgeschlossen wird, vor, dass das Gericht von Amts wegen über die Kosten des Verfahrens entscheidet. Der Regelungsinhalt des § 161 Abs. 1 VwGO über Form und Verfahren der Kostenentscheidung ist identisch mit dem der Vorschrift des § 193 Abs. 1. Abweichend von § 193 Abs. 1 ordnet § 161 Abs. 1 VwGO lediglich im Fall der anderweitigen Beendigung eine Entscheidung durch Beschluss von Amts wegen an. Die Antragstellung eines Beteiligten ist nicht erforderlich. Auf die Kommentierung zu § 193 Rz. 4 ff. zur Kostenentscheidung im Fall der Erledigung des Verfahrens durch eine Entscheidung wird Bezug genommen. Die Kostenentscheidung ist Bestandteil der Entscheidung in der Hauptsache.

Nach § 158 Abs. 1 VwGO, welcher der Bestimmung des § 144 Abs. 4 entspricht, ist eine gesonderte Anfechtung der Kostenentscheidung im Wege eines Rechtsmittelverfahrens ausgeschlossen, eine fehlerhafte Kostenentscheidung stellt kein Verfahrensfehler i. S. d. §§ 144 Abs. 2, 160 Abs. 2 dar (vgl. zu § 160 Abs. 2 BSG, Beschluss v. 8.1.1985, 7 BAr 109/84, siehe Komm. zu § 144 Rz. 24). Für Beschlüsse, die in ihrer Bedeutung den Urteilen nahekommen, wie Beschlüsse über Anträge in selbstständigen Antragsverfahren, gilt § 144 Abs. 4 entsprechend (zu Verfahren nach § 86b: LSG, Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 3.12.2013, L 9 KR 204/13 B; LSG Sachsen, Beschluss v. 21.11.2005, L 3 B 144/05 AS-ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 15.11.2004, L 4 B 23/04 KR; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 4.4.2007, L 19 B 7/07 7/07 AS ER). Die Kostenentscheidung ist nur im Rahmen einer Anfechtung der Hauptsacheentscheidung überprüfbar. Falls das Gericht bei der Kostenentscheidung rechtsirrig von einem Anwendungsfall der §§ 183, 193 ausgegangen ist, ist es an seine Entscheidung gebunden. Eine Ergänzung der Kostenentscheidung von Amts wegen ist ausgeschlossen (LSG Bayern, Beschluss v. 19.9.2011, L 20 SF 225/10 E).

 

Rz. 73

Wenn die untere Instanz rechtsirrig von einem Anwendungsfall der §§ 183, 193 ausgegangen ist und über die Pflicht zur Tragung der Gerichtskosten nicht entschieden hat, entscheidet die Rechtsmittelinstanz nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, sondern auch über die Kosten des Verfahrens in der unteren Instanz (BSG, Urteile v. 5.10.2006, B 10 LW 5/05 R, v. 1.7.2010, B 11 AL 6/09 R, und v. 21.10.2020, B 13 R 19/19 R). Das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelklägers erstreckt sich nur auf den der Disposition der Beteiligten unterliegenden Streitgegenstand, der durch das Rechtsmittel in die höhere Instanz gelangt ist, nicht aber auf solche im angefochtenen Urteil enthaltene Entscheidungen, die der Disposition der Beteiligten entzogen und daher ohne Rücksicht auf den Willen der Beteiligten von Amts wegen zu treffen sind, wie dies für die Kostengrundentscheidung gilt (BSG, Beschluss v. 26.10.2010, B 8 AY 1/09 R; LSG Bayern, Beschluss v. 7.1.2010, L 2 KN 22/06 P; vgl. auch Komm. zu § 193 Rz. 5). Dies gilt auch für den Fall, dass die Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren nicht durch eine instanzbeendende Entscheidung, sondern durch einen Beschluss nach § 161 Abs. 2 VwGO nach anderweitiger Erledigung des Rechtsmittelverfahrens ergeht. Eine rechtskräftige Kostengrundentscheidung ist i. d. R. für das Kostenfestsetzungsverfahren bindend, auch wenn das Gericht rechtsirrig anstelle einer Entscheidung nach § 197a eine Entscheidung nach § 183 getroffen hat. Eine Ergänzung der Kostenentscheidung von Amts wegen ist nicht möglich (LSG Bayern, Beschluss v. 19.9.2011, L 20 SF 225/10; vgl. auch BSG, Beschluss v. 6.3.2012, B 1 KR 43/11 B; BVerwG, Beschluss v. 17.9.2007, 8 B 30.07). Ist die Entscheidung einer unteren Instanz über die Kostentragungspflicht aber ganz offensichtlich fehlerhaft und ohne jede Rechtsgrundlage, so dass die Rechtskraft dieser Entscheidung zu einem völlig unerträglichen, dem Rechtsverständnis des Einzelnen widerstreitenden Ergebnis führen würde, muss die Entscheidung für das Kostenfestsetzungsverfahren als unbeachtlich gelten (LSG Bayern, Beschluss v. 10.4.2006, L 17 U 389/05 m. w. N.; ablehnend für den Fall der Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde, LSG Thüringen, Beschluss v. 20.2.2006, L 6 KR 551/05 NZB).

 

Rz. 74

Bei einer anderweitigen Erledigung des Verfahrens ohne abschließende Entscheidung ist das Gericht nach § 161 Abs. 1 VwGO von Amts wegen verpflichtet, über die Kosten durch Beschluss zu entscheiden. Eine anderweitige Erledigung tritt durch die Zurücknahme eines Rechtsbehelfs, ein angenommenes Anerkenntnis (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 6.4.2005, L 13 AL 220/05 AK-A), den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs, die Abgabe einer übereinstimmenden oder einer einseitigen Erledigungserklärung ohne Widerspruch gemäß § 161 Abs. 2 Satz 2 VwGO ein. Eine Unterbrechung des Verfahrens, die Anordnung der Aussetzung oder des Ruhens des Verfahrens oder das Weglegen d...

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