Rz. 27

Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten nicht erhoben, wenn sie bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären. Die unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht (Richter, Bedienstete des nichtrichterlichen Dienstes) muss ursächlich für die Entstehung der Kosten sein (BSG, Beschluss v.10.1.2017, B 13 SF 19/16 S). Ein Verschulden des Gerichts ist nicht erforderlich (BFH, Beschluss v. 5.8.2002, VII B 56/00). Die Nichterhebung von Kosten bei unrichtiger Sachbehandlung dient der Kostengerechtigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit. Sie bezweckt nicht die Überprüfung der richterlichen Sachentscheidung und des dabei eingeschlagenen Verfahrens (VGH Bayern, Beschluss v. 18.1.2011, 20 C 10.2738). Eine unrichtige Sachbehandlung i. S. v. § 21 GKG erfordert einen offenkundigen und eindeutigen, einen schweren Mangel begründenden Verstoß des Gerichts gegen gesetzliche Vorschriften (BSG, Beschluss v. 10.1.2017, B 13 SF 19/16 S m. w. N.). Ein solcher liegt vor, wenn ein Richter Maßnahmen oder Entscheidungen trifft, die den breiten richterlichen Handlungs-, Bewertungs- und Entscheidungsspielraum verlassen (OLG Stuttgart, Beschluss v. 17.3.2005, 8 W 71/05 m. w. N.). Dies ist der Fall, wenn dem Gericht ein offensichtlicher Verstoß gegen eine eindeutige gesetzliche Vorschrift des materiellen oder formellen Rechts oder ein erkennbares Versehen unterlaufen ist (BGH, Beschlüsse v. 24.2.2021, V ZR 45/20, und v. 10.3.2003, IV ZR 306/00; BFH, Beschluss v. 31.1.2014, X E 8/13 m. w. N.) oder ein schwerer Mangel i. S. einer eindeutigen und offenkundig unrichtigen Sachbehandlung vorliegt (BVerwG, Beschluss v. 27.10.2010, 8 KSt 13/10; BSG, Beschluss v. 29.12.2011, B 13 SF 3/11 S). Ein leichter Verfahrensfehler reicht nicht aus (BGH, Beschlüsse v. 4.5.2005, XII ZR 217/04, und v. 4.5.2005, XII ZR 217/04; BVerwG, Beschluss v. 25.1.2006, 10 KST 5/05). Vertretbare Lösungen bei nicht offensichtlicher Sach- und Rechtslage stellen keine unrichtige Sachbehandlung dar (VGH Hessen, Beschluss v. 27.10.1988, 10 ZJ 718/88). Die Vorschrift erfasst nicht die Kosten, die durch ein Rechtsmittelverfahren entstehen, wenn sich die Entscheidung der Vorinstanz als fehlerhaft erweist (BVerwG, Beschluss v. 22.8.2003, 8 KSt 16/03).

 

Rz. 27a

Eine unrichtige Sachbehandlung i. S. d. § 21 GKG liegt vor, wenn

  • ein Gericht über einen Prozesskostenhilfeantrag und das Begehren des Beteiligten in der Hauptsache gleichzeitig abschlägig entscheidet. Dem Kläger wird die Möglichkeit genommen, nach vorangegangener Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags zu wählen, ob er das Verfahren in der Hauptsache auf eigenes Risiko fortführt oder ob er das Verfahren durch Klagerücknahme vorzeitig beendet (BayVGH, Beschluss v. 10.6.2011, 5 C 11.1262; FG Sachsen, Beschluss v. 23.3.2009, 3 Ko 272/09; Ausnahme Verfahren nach § 86b: vgl. OVG Sachsen, Beschluss v. 16.3.2015, 4 D 104/14 m. w. N.);
  • die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe offensichtlich rechtswidrig ist (FG Sachsen, Beschluss v. 17.7.2009, 3 Ko 1171/09);

Nach § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG kann bei abweisenden Entscheidungen und bei Zurücknahme eines Antrags von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf einer unverschuldeten Unkenntnis des Beteiligten über die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht. Unter einer abweisenden Entscheidung sind Entscheidungen jeder Art und Form zu verstehen. Die Bestimmung gilt auch für die Rücknahme eines Rechtsmittels (BGH, Beschluss v. 4.5.2005, XII ZR 217/04). Di...

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